Die FDP darf Guido Westerwelle nicht mehr führen. Dafür leitet er diese Woche den Uno- Sicherheitsrat. Es geht um Wahrung des Weltfriedens.

New York. Im Januar, als Deutschland in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Uno) einzog, da musste Guido Westerwelle in der Runde der Mächtigen noch weit außen Platz nehmen. Doch die Gesandten der 15 Mitgliedstaaten am großen Hufeisentisch im Uno-Hauptquartier rücken turnusmäßig jeden Monat einen Stuhl weiter, entgegen dem Uhrzeigersinn. Im Juli nun ist die Bundesrepublik auf dem Sessel in der Mitte angekommen. Das bedeutet für den deutschen Außenminister die Wiederaufnahme einer kürzlich verloren gegangenen Rolle: Westerwelle ist wieder Vorsitzender.

Seine Partei, die FDP, darf er zwar nicht mehr als Frontmann führen. Aber dafür leitete er gestern in New York erstmals das mächtigste Gremium der internationalen Staatengemeinschaft. Das ist mehr als ein Trostpflaster, immerhin geht es im Sicherheitsrat um nicht weniger als die Wahrung des Weltfriedens, so steht es in der Charta der Uno.

In einem langen Wahlkampf hatte Westerwelle voriges Jahr dafür geworben, dass Deutschland 2011 und 2012 als nicht-ständiges Mitglied in diesen erlesenen Kreis aufgenommen wird und "besondere außenpolitische Verantwortung für Frieden und Sicherheit in der Welt" wahrnehmen darf. Sein Engagement war erfolgreich, nicht zuletzt, weil die Bundesrepublik als viertgrößter Beitragszahler der Uno über starke finanzielle Argumente verfügt. Allerdings trug die große Bühne der Weltpolitik Westerwelle bislang weniger das erhoffte Prestige ein, sondern stattdessen vor allem eines: viel Ärger.

So brachte die Bundesregierung im März mit ihrer Enthaltung bei der Abstimmung des Sicherheitsrats über eine militärische Intervention in Libyen die Bündnispartner in der Nato gegen sich auf. Der im Monatswechsel rotierende Vorsitz des Sicherheitsrats bietet Westerwelle nun die Gelegenheit, sich doch noch als aktiv gestaltender Weltenlenker in Szene zu setzen. Es gehe ihm darum, bei der Uno etwas "von unserem Wertekompass" einzubringen, sagte der aus diesem Anlass eigens an den East River gereiste Außenminister.

Am Dienstag befasste sich der Weltsicherheitsrat in seiner 6581. Sitzung auf Drängen der deutschen Präsidentschaft mit einer Resolution, deren Ziel es ist, die seit 2005 im Völkerrecht verankerte Ächtung solcher Staaten zu verschärfen, die Kindersoldaten einsetzen. "Kinder in bewaffneten Konflikten brauchen besonderen Schutz", sagte Westerwelle in seiner Eigenschaft als Sitzungsleiter, das sei ein Gebot der "mitmenschlichen Verantwortung". Deshalb müssten auch Gruppierungen in eine "Liste der Schande" aufgenommen werden, die gezielt Schulen oder Krankenhäuser angreifen. Die Ächtung stünde auch keineswegs nur auf dem Papier, versicherte Westerwelle, die Resolution ermögliche vielmehr "handfeste Konsequenzen": So könnten Delinquenten in ihrer Reisetätigkeit eingeschränkt und Gelder auf internationalen Konten eingefroren werden.

Am Mittwoch, wenn Westerwelle seine zweite Sitzung leitet, darf er als Notar eines mit seinen Worten, "historischen Momentes" tätig werden. Am 9. Juli hatte sich der Südsudan vom Norden des Landes abgespalten und eine Republik ausgerufen. Es ist nun am deutschen Außenminister, den Antrag des neuen Staates auf Aufnahme in die Vereinten Nationen entgegenzunehmen. Ob der Geburt dieses 193. Mitgliedslandes der Uno allerdings eine gute Entwicklung folgen wird, ist höchst unsicher. Denn der Südsudan blickt auf eine Fülle von Problemen: Zwar verfügt er über reiche Erdölvorkommen, doch führt die gesamte Infrastruktur zur Vermarktung dieser Bodenschätze durch den Norden. Und mit dem streitet die neue Republik über den Grenzverlauf. "Das Ausrufen eines Staates macht noch keinen Staat", sagte Westerwelle.

Ob Südsudan zu einem leidlich funktionierenden oder einem scheiternden Staat wird, entscheidet sich nicht unter der deutschen Präsidentschaft. Für deren Bewertung ist der Umgang des Sicherheitsrates mit einer anderen Konfliktregion aussagekräftiger: Syrien. Es ist das erklärte Ziel Westerwelles, "eine gemeinsame Sprache" und Haltung der internationalen Gemeinschaft bezüglich der Übergriffe des Regimes von Präsident Baschar al-Assad auf die eigenen Bürger zu finden. Im Klartext: Eine Resolution soll her, die die Gewalt verurteilt.

Viel Zeit bliebt Westerwelle dafür nicht mehr: In zwei Wochen ist der Vorsitz im Sicherheitsrat Geschichte, dann übernimmt Indien die Koordinierung. Eine Erkenntnis hat Westerwelle immerhin schon jetzt gewonnen: Es gibt tatsächlich Führungspositionen, die bringen noch mehr Probleme mit sich als der Chefposten in der FDP.