Die EU-Kommission fordert von Kopenhagen Aufklärung wegen der neuen Grenzkontrollen. Union und FDP sehen Abkommen beschädigt.

Berlin. Das Recht auf Freizügigkeit in der Europäischen Union könnte ab Dienstag bei einer Fahrt nach Dänemark an seine Grenzen stoßen. Mit der Ankündigung neuer Grenzkontrollen ist die Minderheitsregierung des konservativen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen am Freitag einer Forderung der rechtspopulistischen DVP nachgekommen, die als Mehrheitsbeschafferin für die seit Jahren verschärfte dänische Ausländer- und Zuwanderungspolitik mitverantwortlich ist. Eine Mehrheit von 55 gegen 50 Stimmen im Folketing, dem dänischen Parlament in Kopenhagen, lehnte den Antrag der Opposition auf Streichung dieser Regierungspläne ab.

Danach war es Peter Christensen, Minister für Zoll und Steuern, überlassen, die Botschaft an die deutschen Urlauber zu übermitteln. "Die ganz große Mehrzahl der Reisenden wird überhaupt nichts merken. Wir freuen uns auf die deutschen Urlauber." Und: "Es wird keine Staus geben", besänftigte er. Zunächst 30 zusätzliche Zollbeamte an Grenzübergängen mit Deutschland und 20 an Übergängen mit Schweden sollen ausschließlich Stichproben-Kontrollen zur Eindämmung grenzüberschreitender Kriminalität durchführen. Doch die Aufregung konnte Christensen damit nicht stoppen.

Die EU-Kommission zeigte sich alarmiert, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach von einem "schlechten Tag für Europa", und auch das stets auf gedämpften Ton bedachte Auswärtige Amt wollte seine Enttäuschung über die Nachbarn im Norden nicht verbergen. Staatsminister Werner Hoyer (FDP) sagte dem Abendblatt, als überzeugter Europäer bedauere er die Entscheidung der dänischen Regierung sehr. "Die Möglichkeit des freien, ungehinderten Reisens ist für uns Europäer eines der entscheidenden Wesensmerkmale der Europäischen Union", so der Staatsminister. Er begrüße jedoch die Zusicherung von Ministerpräsident Løkke Rasmussen, dass die dänischen Maßnahmen mit EU-Recht verträglich sein sollen. "Daran werden sie sich messen lassen müssen", schickte Hoyer als warnende Botschaft nach Kopenhagen. Der Sprecher das Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, erinnerte zudem an das Gespräch von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mit der dänischen Amtskollegin Lene Espersen Mitte Juni, bei dem Westerwelle deutlich gemacht habe, dass "die Wiedereinrichtung von Grenzkontrollanlagen ein falsches Signal ist in dem heutigen Europa, das ja zusammenwachsen soll und nicht auseinanderdriften".

Auch in den Regierungsfraktionen im Bundestag regte sich Unmut. "Diese Entscheidung der dänischen Regierung ist kein Beitrag zur inneren Sicherheit des Landes, sondern sie bedient allein nationalistische Strömungen", sagte Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff dem Abendblatt. Der CDU-Politiker betonte: "Die Dänen verstoßen gegen den Geist von Schengen." Denn laut Schengen habe man innerhalb Europas Freizügigkeit, aber man verpflichte sich gleichzeitig, an den Außengrenzen der EU für mehr Sicherheit zu sorgen. "Ob Dänemark mit den Grenzkontrollen rechtlich gegen das Schengen-Abkommen verstößt, müssen wir beobachten. Wir sollten jetzt für den Moment mit Gelassenheit reagieren", mahnte der CDU-Politiker.

Der europapolitische Sprecher der FDP-Bundestagfraktion, Michael Link, warf der dänischen Regierung vor, gegenüber der DVP eingeknickt zu sein. "Dänemarks Entscheidung zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen enttäuscht alle Freunde eines weltoffenen Europas", sagte Link dem Abendblatt. "Es geht dabei nicht um Sicherheit, denn die ist durch die Schengen-Regeln gewährleistet", betonte er. Es gehe der dänischen Regierung um fragwürdige Zugeständnisse an die rechtspopulistische DVP. "Solchen Strömungen darf man niemals nachgeben."

Die EU-Kommission will wachsam auf Dänemark blicken. "Die Europäische Kommission wird die Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen beurteilen, um sicherzustellen, dass sie in Einklang mit den Schengen-Regeln und der entsprechenden EU-Gesetzgebung sind", sagte der Sprecher von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. "Natürlich muss die Kommission wissen, wie die dänischen Behörden ihre Kontrollen an den Grenzen durchführen werden." Daher habe Kopenhagen Brüssel über die Pläne informieren müssen. Am Dienstag sei ein Brief aus Dänemark eingegangen, der nun geprüft werde.

Die Kontrollen könnten auch frühzeitig beendet werden, sollten die Sozialdemokraten bei den noch in diesem Jahr anstehenden Parlamentswahlen in Dänemark siegen. Noch aber plant die Regierung die nächsten Schritte. Zollminister Christensen kündigte an, dass nach den derzeitigen Plänen bis 2014 auch zusätzliche Kontrollgebäude an dänisch-deutschen und dänisch-schwedischen Grenzübergängen fertig sein sollen. An der Grenze zu Schweden will Dänemark vorerst 20 zusätzliche Zollbeamte für Stichproben-Kontrollen einsetzen.