Bündnis will überstürzten Abzug aus Afghanistan vermeiden. Sicherheitslage ist immer noch instabil

Brüssel. In der Nato wachsen die Bedenken, dass die westlichen Truppen überstürzt aus Afghanistan abziehen könnten. Die USA einerseits sowie Großbritannien und Deutschland andererseits forderten sich beim Nato-Verteidigungsministertreffen gegenseitig auf, das Tempo des Abzugs von der Sicherheitslage in dem umkämpften Land abhängig zu machen.

US-Präsident Barack Obama will demnächst entscheiden, wie umfangreich der ab Juli beginnende Abzug der US-Truppen aus Afghanistan ausfallen wird. Er steht zunehmend unter Druck, nach der Tötung von Al-Qaida-Chef Osama Bin Laden die Präsenz rasch zu reduzieren. Senatoren von Demokraten wie Republikanern kritisierten das militärische Engagement der USA in Afghanistan als übertrieben. Der Krieg verschlingt jährlich mehr als 110 Milliarden Dollar. Nach einer jüngsten Umfrage des TV-Senders CBS sind fast zwei von drei Amerikanern dafür, die Truppenstärke bald zu reduzieren.

Deutschland und Großbritannien warnten vor einem zu raschen Abzug der amerikanischen Truppen. Es gebe großes Verständnis dafür, dass die Amerikaner ab Juli "ein paar Soldaten" abziehen wollten, nachdem sie die Präsenz im vergangenen Jahr um 30 000 verstärkt hätten, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). "Wir haben aber ein bisschen die Sorge, dass - wenn das zu viel wird - sich auch die Strategie nicht so umsetzen lässt wie besprochen." Auch der britische Verteidigungsminister Liam Fox mahnte, der Abzug dürfe nicht die Kampfkraft im Süden Afghanistans gefährden. Großbritannien ist nach den USA, die derzeit 90 000 Männer und Frauen im Einsatz haben, mit 9500 Kräften der zweitgrößte Truppensteller. Deutschland steht mit 4800 Soldatinnen und Soldaten an dritter Stelle. Insgesamt bringen die 47 präsenten Länder zurzeit eine Truppenstärke von gut 132 000 auf. Nach dem Zeitplan der Nato soll der Kampfeinsatz bis Ende 2014 beendet werden. Bis dahin soll die Sicherheitsverantwortung für das Land vollständig an die einheimische Armee und die Polizei übergehen.

Welche Probleme es bei der Gewährleistung von Recht und Ordnung noch immer gibt, illustriert ein Zwischenfall im Osten Afghanistans. Dort haben Unbekannte neun Gäste einer Hochzeit erschossen. Im Verdacht stehen die Taliban, die Musik und Tanz als unislamisch ablehnen.