Lage in Fukushima weiter außer Kontrolle, Strahlenwerte steigen

Hamburg. Die Lage im japanischen Unglücksreaktor Fukushima ist außer Kontrolle. Das räumte Japans Regierungssprecher Yukio Edano gestern in Tokio ein. Die Regierung habe keine Ahnung, wann man die Situation wieder in den Griff bekommen werde, sagte Edano. Wie der Kraftwerksbetreiber Tepco mitteilte, wurde im Meer südlich der havarierten Anlage ein Wert an radioaktivem Jod 131 gemessen, der das zulässige Höchstmaß um das 3355-Fache überschreite.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte Tokio auf, die verpflichtende Evakuierungszone um Fukushima von 20 auf 40 Kilometer zu verdoppeln. Die japanische Regierung hat den Menschen der Region bisher nur empfohlen, auch eine 30-Kilometer-Zone um den Reaktor zu verlassen.

Der belgische Atomexperte Jan van de Putte sagte gestern in Tokio, rund 30 Kilometer von Fukushima entfernt seien noch Strahlungswerte von 100 Mikrosievert pro Stunde gemessen worden. Damit erreichten die Menschen dieser Region innerhalb von nur zehn Stunden die für ein ganzes Jahr geltende Höchstdosis von 1000 Mikrosievert pro Stunde. Tokio erwägt nun, drei der beschädigten Reaktoren mit Planen abzudecken, um das weitere Austreten radioaktiver Partikel zu vermindern. In den Medien hieß es zudem, man wolle das in der Anlage stehende radioaktive Wasser in ein Tankschiff abpumpen.

Im Boden um das Kraftwerk ist auch das hochgiftige Plutonium gefunden worden, das in einigen Mischoxid-Brennelementen verwendet wird. Die USA haben Japan mehrere Roboter zur Verfügung gestellt, die sich bereits in Kampfeinsätzen in Afghanistan und im Irak bewährt hätten. Sie sollen in den stark verstrahlten Bereichen zum Einsatz kommen. Japans Wirtschaftsminister Banri Kaieda ordnete gestern eine Überprüfung aller mehr als 50 Atomreaktoren in Japan an.

Die Situation der rund 400 Arbeiter, die im Kraftwerk gegen den GAU kämpfen, ist nach einem Bericht des US-Senders CNN verzweifelt. Sie arbeiten zwölf Stunden am Tag, schlafen auf bleigefütterten Schlafmatten in einem Gebäude nur einen Kilometer von Reaktor 1 entfernt, können nicht duschen und ernähren sich nur von Hartkeksen, Gemüsesaft und Fertignahrung. Da es kaum qualifizierte Fachkräfte gibt, die ihr Leben und ihre Gesundheit in der Strahlenzone riskieren wollen, können die 400 nicht abgelöst werden.

Einer von ihnen schrieb in einer E-Mail, seine Eltern seien vom Tsunami fortgerissen worden; er habe nie wieder etwas von ihnen gehört. "Weinen ist sinnlos", schrieb ein anderer, "wir sind jetzt alle in der Hölle." Regierungssprecher Edano sagte, die 400 Menschen arbeiteten "unter sehr gefährlichen und harten Bedingungen". Der Chef der umstrittenen Firma Tepco, Masataka Shimizu, leidet unterdessen unter Bluthochdruck und Schwindelanfällen. Er wurde in eine Klinik gebracht.