Falsch informierte Arbeiter und verwirrende Zahlen: Die Krisenmanager in Fukushima scheinen überfordert

Tokio/Berlin. Mehr als zwei Wochen nach dem Erdbeben gibt der Kampf gegen die atomare Katastrophe noch immer ein niederschmetterndes Bild ab, geprägt von Rückschlägen und Notlösungen, von immer wiederkehrenden Nachbeben und Evakuierungen der Arbeiter vor Ort. Das traurige Bild verfinsterte sich zunächst weiter durch die Zahlen, die von der Betreiberfirma Tepco herausgegeben wurden.

Demnach lag die Strahlung im Reaktor 2 zehn Millionen Mal höher als der Normalwert. Die Radioaktivität wurde in ausgetretenem Wasser gemessen, sagte Tepco-Sprecher Takashi Kurita. Gemessen wurden demnach 1000 Millisievert (mSv) pro Stunde - ein Wert, der nach Einschätzung der US-Umweltbehörde schnell schwere Blutungen auslöst und tödlich sein kann. Zwar zog Tepco die Zahlenwerte im Lauf des Tages zurück und begründete das mit einer falschen Messung. Aber der düsteren Stimmung vor Ort tat dies keinen Abbruch. Und der ohnehin beschädigten Glaubwürdigkeit des Betreibers versetzte es einen weiteren Schlag.

Die Arbeiter waren zuerst zurückgerufen worden. Bereits zuvor hatte die Reaktorsicherheitsagentur NISA in dem Wasser an Reaktor 2 eine hohe Konzentration des Isotops Jod-134 festgestellt. Das könne auf einen Schaden am Reaktorkern hinweisen, hatte es geheißen. In die Reaktoren und Becken mit abgebrannten Brennstäben war zunächst Meerwasser gepumpt worden. Experten befürchten aber, dass verdampfendes Meerwasser Salzkrusten zurücklässt. Sie könnten sich etwa zwischen den heißen Brennstäben festsetzen und den Fluss des kühlenden Wassers behindern. Deswegen wird inzwischen so weit möglich Süßwasser statt Salzwasser eingesetzt. Unter anderem sei die US-Marine mit einer großen Wasserladung unterwegs.

Auch im Hinblick auf die Fürsorge für seine Mitarbeiter hinterließ Betreiber Tepco keinen guten Eindruck. Die drei zuletzt in Fukushima verstrahlten Arbeiter wurden, wie gestern bekannt wurde, nicht vor der gefährlichen Radioaktivität am dritten Reaktorblock gewarnt. Tepco räumte ein, dass ihr die drastisch erhöhten Strahlenwerte an dem Reaktor bekannt gewesen seien. "Wenn der Informationsaustausch ordentlich funktioniert hätte, wäre der Zwischenfall möglicherweise verhindert worden", sagte ein Tepco-Manager der Zeitung "Yomiuri". Zugleich habe ein Teil der Arbeiter beim Verlegen von Stromleitungen Alarmsignale missachtet. Seit Beginn der Krise in dem Atomkraftwerk wurden 17 Arbeiter verstrahlt. Zwei kamen mit Verbrennungen ins Krankenhaus, weil sie in dem verseuchten Wasser gestanden hatten.

Bei vorherigen Messungen war der Gehalt des Isotops Jod-131 im Meerwasser nahe der Anlage bereits 1250-fach erhöht. Die Verseuchung im Pazifik kommt vermutlich daher, dass radioaktives Wasser aus dem Atomwrack ins Meer geflossen ist, wie Tepco einräumte. Viele Experten gehen davon aus, dass sich die Konzentration der radioaktiven Substanzen im Meer schnell verdünnt, sodass derzeit keine größere Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe.

Ist Besserung in Sicht? Nach Einschätzung des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, noch lange nicht. Es sei immer noch unklar, ob die Reaktorkerne und die abgearbeiteten Brennstäbe mit Wasser bedeckt seien und ausreichend gekühlt werden könnten. Es müsse noch mehr getan werden, um die Krise zu beenden, sagte Amano der "New York Times". Die teilweise Wiederherstellung der Stromversorgung am Atomkraftwerk Fukushima 1 sei zwar ein gutes Zeichen. Sorge machten ihm aber die abgebrannten Brennstäbe, die weiterhin gekühlt werden müssen. Angesichts der hohen Temperatur reiche es auf Dauer nicht, sie einfach nur mit Wasser zu bedecken.

Seine tiefe Sorge über den Zustand seines Landes hat der Kaiser öffentlich mit Worten zum Ausdruck gebracht - eine für einen Tenno sehr ungewöhnliche Geste. Dabei beließ er es nicht: Am Wochenende ließen Akihito und seine Frau Michiko Baderäume für Bedienstete in ihrer kaiserlichen Villa im ostjapanischen Ort Nasu nahe der Unglücksregion für Opfer des Erdbebens und Tsunamis öffnen. Erste Obdachlose aus einem Notlager in der Nachbarprovinz Fukushima, wo viele Menschen seit Tagen bei Kälte und Versorgungsmangel ausharren, konnten dadurch endlich wieder ein heißes Bad nehmen.