Köln/Berlin. Immer mehr Blöcke des Atomkraftwerks Fukushima 1 erhalten Strom und Wasser, sie kühlen ab. Die Gefahr ist jedoch keineswegs gebannt: "Die Situation ist nicht stabil, aber es gibt positive Schritte", sagt Sven Dokter von der Gesellschaft für Anlagen - und Reaktorsicherheit in Köln. Die Menge des Wassers in den Reaktorkernen der Blöcke 1, 2 und 3 sei nach seinen Erkenntnissen "halbwegs stabil", erläutert Dokter und betont zugleich: "Das ist von der Ferne aber schwer zu beurteilen."

In den Reaktorblöcken 3 und 4 liegen ausgediente Kernbrennlemente oberhalb des Reaktorkerns in Abklingbecken. Normalerweise verweilen sie dort vier bis fünf Jahre, bis sie entsorgt werden können. "In den Blöcken 3 und 4 haben die Japaner es immerhin geschafft, Wasser hineinzubekommen", meint Dokter.

Derzeit sei in die Abklingbecken der Blöcke schätzungsweise 70 bis 80 Tonnen Wasser eingebracht worden. "Diese Mengen dienen zur Stabilisierung. Da müsste eigentlich noch viel mehr Wasser hinein", sagt Dokter. Es gebe zwei gegensätzliche Szenarien: "Ohne Wasser heizen sich auch diese Stäbe immer weiter auf, ab etwa 1000 Grad gehen sie kaputt, dann können radioaktive Stoffe in die Luft gelangen." Eine Explosion wie in Tschernobyl sei zwar nicht zu erwarten, aber oberhalb der Becken herrsche eine starke Gammastrahlung, was die Arbeiten per Hubschrauber erschwert habe. Im positiven Fall, falls weiter genügend Wasser auf die Stäbe komme, müssten sie noch jahrelang gekühlt werden, bevor sie entsorgt werden könnten.

Die Blöcke 1 bis 3 seien selbstverständlich noch weit von der endgültigen Rettung entfernt: "Wenn die Kühlung nicht ausreicht, bauen sich in den Reaktorkernen 1 bis 3 weiter Hitze und Druck auf. Auch da kann alles immer wieder umschlagen." Wenn der Wasserstand wieder sinke, sei es denkbar, dass die Brennstäbe in den Kernen schmelzen. "Der Worstcase ist noch nicht ausgeschlossen."

Die Kühlung mit Meerwasser anstelle von Trinkwasser sei zwar ungewöhnlich, aber nötig. "Meerwasser ruiniert eine normale Anlage unter anderem, weil sich das Salz absetzt", erläutert Dokter. "Nur zum jetzigen Zeitpunkt ist so etwas nebensächlich." Das Wasser gelange nur zum kleinen Teil zurück ins Meer, ansonsten vor allem in Form von Dampf in die Luft. Die radioaktive Strahlung in weiter entfernten Gebieten sei im Moment noch vergleichsweise gering. Auch die in einigen Präfekturen derzeit angegebenen Werte im Trinkwasser bedeuteten keine unmittelbare Gesundheitsgefahr. Die radioaktiven Stoffe seien vermutlich über Oberflächenwasser wie Stauseen in die Leitungen gelangt.

Und wie ist die Situation, wenn alle Rettungsaktionen gelingen? Auch dann müsse das Atomkraftwerk noch jahrelang abkühlen, betont Dokter. "Ob man irgendwann mal einen Sarkophag baut, wie in Tschernobyl, kann man jetzt noch nicht sagen. Jetzt geht es nur ums Kühlen."