Regierungssprecher Yukio Edano ist fast ständig auf Sendung - und informiert erschreckend wenig

Tokio. Nachbar China hat sich beschwert über die schleppende und ungenügende Informationspolitik der japanischen Regierung und des Betreibers des Katastrophenkraftwerks in Fukushima, der Tepco. Auch die internationale Atomenergiebehörde IAEA ist wenig glücklich mit dem, was sie aus Japan erfährt. Den meisten Regierungen der Welt und allen Umweltorganisationen geht es genauso.

Auf die massive Kritik hin hat Ministerpräsident Naoto Kan am Freitag mit dem Versprechen reagiert, mehr Informationen über die Atomkrise zu liefern. "Ich möchte versprechen, dass wir der IAEA so viele Informationen wie möglich zur Verfügung stellen wollen, auch der ganzen Welt", sagte Kan nach einem Treffen mit IAEA-Chef Yukiya Amano in Tokio. Der IAEA-Chef fordert weiter eine bessere Aufklärung: "Die internationale Gemeinschaft will eine exaktere und schnellere Information", sagte er. Ein vierköpfiges IAEA-Team werde sich an der Überwachung der Radioaktivität beteiligen und sich dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima "in einigen Tagen" nähern.

Dabei tritt seit einer Woche Regierungssprecher Yukio Edano, 46, im Halbstundentakt vor die Weltpresse. Er ist zum Gesicht der Krise geworden und steckt wie andere Regierungsmitglieder stets in blauer Ingenieursbekleidung. Das soll signalisieren: "Hier wird angepackt!" Nur ausgepackt wird eben nicht, jedenfalls nicht mit umfassender Information. Mit gesenktem Blick gibt Edano spärliche Erkenntnisse weiter. Die Tage ohne Schlaf stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Der Politiker ist ein Gründungsmitglied der regierenden Demokratischen Partei Japans, für die er auch im Parlament sitzt. Erst im Januar wurde er zum Chef des Kabinettsekretariats ernannt und ist damit das Sprachrohr der Regierung von Premier Naoto Kan. Darüber hinaus übt er das Amt des Ministers für Okinawa und die nördlichen Territorien aus, das er bereits im letzten Jahr kurz innehatte. In wichtigen japanischen Medien wurde noch kaum Kritik an Edano laut.

Mycle Schneider, ein international tätiger Atomberater, der schon mehrere Dutzend Male als Gutachter in Japan war, ist da wesentlich kritischer. "Diese Informationspolitik ist ein Riesenproblem!" Er, der wohl am ehesten als "Insider" der japanischen Atomanlagen zu bezeichnen ist, finde einfach keinen Zugang zu den spärlichen und verwirrenden Informationen. Die japanische Atomaufsicht Nisa ist auch zurückhaltend mit Informationen über die anderen Reaktoren im Erdbebengebiet. Ob die Informationen der Nisa glaubwürdig sind, da ist sich Experte Schneider nicht so sicher. "Ich bin immer noch sehr beunruhigt", sagte er. Es gebe schlicht keine unabhängigen Untersuchungen.

Auch der Zustand der Wiederaufbereitungsanlage Rokkasho ganz im Norden der Insel sei noch unklar. "Hier liegen rund 3000 Tonnen hoch radioaktiver abgebrannter Brennstoff", sagte Schneider. Das entspreche etwa der Menge an Brennstoff, die in 25 bis 30 Atomreaktoren gelagert wird. Bei diesem Atommüll kann es zwar nicht zu einer unkontrollierten Kettenreaktion kommen, wie bei den aktiven Meilern, doch gekühlt werden muss er trotzdem. Auch hier war der Strom infolge des Erdbebens ausgefallen, und auch hier musste mit Dieselgeneratoren gekühlt werden.

Die Umweltschutzorganisation sieht es ähnlich. "Es ist unverantwortlich, wie die japanische Regierung und die Betreibergesellschaft dort ihre Informationspolitik betreiben", sagte Christoph von Lieven, Energieexperte bei Greenpeace. Die Atomkraftwerke seien abgesperrt, es gebe keine unabhängigen Messungen der ausgetretenen Radioaktivität und "keine Berichte der Regierung und der Betreibergesellschaft, denen man trauen kann". Von Lieven betonte: "Es muss den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, geordnet aus der Gefahrenzone zu kommen. Wenn sie diese Möglichkeit nicht haben, sind die japanische Regierung und die Betreiber direkt dafür verantwortlich, dass mehr Menschen von den tödlichen Strahlen betroffen werden."

Beim derzeitigen Erkenntnisstand bleibt allen Beobachtern nur die Hoffnung, dass die Ereignisse in Fukushima nicht die Dimension von Tschernobyl erreichen.