Verkehrsminister Ramsauer reist nach Damaskus, macht sich ein Bild von der Stabilität des Regimes - und hofft auf gute Geschäfte

Berlin/Damaskus. Einer der Minister, die gestern mit Kanzlerin Angela Merkel zur gemeinsamen Kabinettsitzung nach Israel geflogen sind, kehrt nicht gleich nach Berlin zurück. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) reist weiter nach Damaskus, um mit hochrangigen Regierungsvertretern über Infrastrukturprojekte zu beraten. Dabei kann er sich auch einen Eindruck von der Stabilität des Regimes von Baschar al-Assad verschaffen.

Syrien gehört zu den selteneren Zielen deutscher Regierungsmitglieder. Der Staat, der an Israel wie an den Irak grenzt, war vom früheren amerikanischen Präsidenten George W. Bush einer "Achse des Bösen" zugeordnet worden - auch wegen seiner Allianz mit dem Iran und der militärischen Unterstützung für die radikalislamische Hisbollah-Miliz im Libanon. Seit einigen Jahren müht sich Präsident al-Assad, das Bild des Schurkenstaates loszuwerden und sich aus der Isolation zu befreien.

Die Regierung in Damaskus stieß Reformen zur Liberalisierung der Wirtschaft an. Der 2006 verabschiedete zehnte Fünfjahresplan soll den Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft markieren. Neue Gesetze erleichtern Investitionen und schützen ausländisches Kapital. Nach Einschätzung von Diplomaten sucht Syrien einen Weg zwischen der Marktwirtschaft des Westens und dem Wirtschaftssystem Chinas.

Ramsauer sieht Syrien als Schlüsselstaat für Frieden in Nahost - und als verlockenden Markt. "Syrien ist kein einfacher Partner in der Region des Nahen und Mittleren Ostens. Aber ohne die Einbindung Syriens können keine dauerhaften Fortschritte erreicht werden", sagte der Verkehrsminister dem Hamburger Abendblatt. "Die wirtschaftlichen Reformen sind eine Chance, dass das Land sich öffnet." Ziel seines Besuches, der bis Mittwoch dauert, sei es, "belastbare Daten zu den Infrastrukturprojekten und deren Finanzierung zu bekommen", erklärte der CSU-Politiker vor dem Abflug. "Geplant sind Investitionen in Schiene und Straße, Hafen und Flughafen."

Angeblich erwägt die syrische Regierung, in den nächsten Jahren 25 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur zu stecken - und private Investitionen in ähnlicher Größenordnung anzulocken. Syrien begreift sich als Transitland zwischen dem Mittelmeer und dem Persischen Golf. Eine neue Bahnstrecke, die von Saudi-Arabien über Jordanien und Syrien in die Türkei führt, könnte einen Boom auslösen. Interessiert an Planungsaufträgen wäre die Deutsche Bahn AG. Niko Warbanoff, Leiter der Internationalen Geschäftsentwicklung, begleitet den Minister auf seiner Reise.

Eine Begegnung mit al-Assad ist nicht vorgesehen, dafür wird Ramsauer den syrischen Premierminister Mohammad Naji Otri, den Vizepremier für wirtschaftliche Angelegenheiten, Abdallah al-Dardari, Finanzminister Mohammad al-Hussein und Transportminister Yarub al-Badr treffen. Vizepremier al-Dardari, der als Architekt der Wirtschaftsreformen gilt, hob vor einiger Zeit einen wesentlichen Unterschied zur Transformation in Osteuropa hervor. "Im ehemaligen Ostblock hat sich alles nach dramatischen politischen Ereignissen verändert", sagte er in einem Interview. "Wir machen unsere Reformen in stabilen Verhältnissen." Damals wird al-Dardari nicht im Traum daran gedacht gaben, dass in Tunesien und Ägypten die Herrscher stürzen könnten.

In Damaskus gab es bisher nur zögerliche Proteste, auf die das Regime sofort reagierte. Die ohnehin begrenzte Nutzung des Internets wurde weiter eingeschränkt. Zugleich führte al-Assad ein großzügigeres Sozialhilfegesetz ein.

Überhaupt ist fraglich, ob die Syrer den Mut zu Massenprotesten aufbringen - nicht nur wegen des allgegenwärtigen Geheimdiensts. Der Führungsclan der al-Assads, die der religiösen Minderheit der Alewiten angehören, hat sich in der Vergangenheit durch besonders rabiate Unterdrückung jeglicher Opposition hervorgetan. Hafes al-Assad, Vater und Vorgänger von Präsident Baschar, ließ 1982 in der Stadt Hama einen Aufstand der islamistischen Muslimbrüder brutal niederschlagen. Mehrere Zehntausend Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.