Regierungschef Viktor Orban stellt Änderungen des scharf kritisierten Mediengesetzes in Aussicht

Hamburg. Zunächst deutete nichts auf ein Einlenken hin. Im Gegenteil. Ungarns Regierungschef Viktor Orban teilte nach der Kritik der EU an dem neuen Medien-Knebelgesetz in seinem Land erst richtig aus: Er werde "nicht mit zitternden Knien" vor anderen Ländern einknicken, sagte er. Es kümmere ihn auch wenig, dass er mit dem Chef der gelenkten Demokratie in Russland, Wladimir Putin, in einen Topf geworfen werde, fügte er hinzu - zumal er schon mit Hitler verglichen worden sei, da sei Putin doch ein Fortschritt. Am Freitag gab Orban dann dem Druck der EU nach und stellte Änderungen an dem Mediengesetz in Aussicht. Der Streit hatte den Auftakt der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns überschattet.

Sollte die EU-Kommission eine zu große Machtkonzentration der neuen Aufsichtsbehörde feststellen, dann werden wir das ändern", sagte Orban jetzt in Budapest nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Damit ließ er seine Bedingung fallen, das Gesetz nur dann zu ändern, wenn alle 27 EU-Mitgliedstaaten ihre eigenen Regeln ebenfalls ändern würden.

Aber der Ärger saß doch so tief, dass Orban bei der Pressekonferenz mit seinem konservativen Parteifreund Barroso, zu dem er ein gespanntes Verhältnis pflegt, noch ein wenig Dampf abließ. Sein Land sei Ziel von ungerechtfertigten Attacken geworden, sagte Orban mit Blick auf Frankreich und Deutschland, die Ungarn besonders scharf kritisiert hatten. Zweifel an Ungarns Bekenntnis zu Demokratie seien nicht akzeptabel. Die Ungarn hätten viel Blut vergossen und sogar Menschenleben geopfert, um sie zu erkämpfen. "Die ungarische Demokratie sollte den gleichen Respekt erfahren wie andere in Europa", sagte Orban.

Einer Kampagne und politischem Druck werde er sich nicht beugen, stellte der Regierungschef außerdem klar. Die EU-Kommission müsse das Gesetz nun angemessen überprüfen - "und sie wird uns bestätigen", gab er sich überzeugt. "Wenn es keine vernünftigen Argumente gibt, dann gibt es auch keine Veränderungen."

Barroso sagte, Orban habe ihm ausdrücklich Veränderungen am Mediengesetz zugesichert, falls die EU dies verlange. "Das Prinzip der Pressefreiheit ist heilig in der EU", sagte der Kommissionspräsident, der in Begleitung von 26 EU-Kommissaren in Budapest angereist war. Die EU hatte zuvor angekündigt, sie wolle das 194 Seiten lange Gesetz "genau prüfen". Dies könne Wochen dauern, sagte ein Sprecher. Auch Barroso ließ offen, wann die Analyse abgeschlossen sein wird.

Das neue Mediengesetz, das am 20. Dezember in Kraft trat, hat den Einfluss und damit auch die Zensurmöglichkeiten des Staates auf die Medien deutlich gestärkt. Kernelement ist ein von Orbans konservativer Fidesz-Partei dominierter Medienrat, der über eine "ausgewogene Berichterstattung" und eine "Wahrung der öffentlichen Moral" durch alle ungarischen Medien wachen soll. Im Falle eines Verstoßes können Bußgelder von bis zu 720 000 Euro verhängt werden. Kritiker meinen, dies könne auch zur Selbstzensur der Journalisten führen. Diese müssten sich bei ihren Recherchen künftig überlegen, ob sie sich der Strafverfolgung aussetzen wollen. Mit der Veröffentlichung von durch Dritte "ungesetzlich" erworbenen, "geschützten Daten" macht sich der Journalist zum Mittäter. Und wenn seine etwa auf Informationen aus der Regierung basierenden Veröffentlichungen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährden, dann muss er seine Informanten preisgeben. Wann die Gefahr besteht, entscheiden die Medienkontrolleure. Zeitgleich mit Inkrafttreten des Gesetzes hatte Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Am 19. Januar wird Orban sein Programm für die nächsten sechs Monate vorstellen.

In Brüssel prüfen Rechtsexperten bereits, ob das Mediengesetz gegen die EU-Grundrechtecharta und den Vertrag von Lissabon verstößt. Darin verpflichten sich alle EU-Mitglieder zur Wahrung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Die Daumenschraube ist in Artikel 7 formuliert. Danach kann der EU-Rat einem Mitglied, das dauerhaft gegen die Grundrechte verstößt, das Stimmrecht entziehen.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, begrüßte die Bereitschaft Ungarns, bei dem umstrittenen Gesetz nachzuarbeiten. "Das stimmt uns hoffnungsvoll", sagte er in Berlin. Die Bundesregierung warte nun die Prüfung des Gesetzes durch die EU ab. Sollte Ungarn gegen EU-Recht verstoßen haben, sei das Land zu Änderungen verpflichtet. 70 führende europäische Bürgerrechtler warnten vor einem Abbau der Demokratie in Ungarn. "Die Aberkennung von Grundrechten in einem Land demütigt alle Europäer", heißt es in dem Schreiben. Zu den Unterzeichnern zählen die ehemaligen Staatspräsidenten Vaclav Havel (Tschechien) und Arpad Göncz (Ungarn).