Drei Stimmen sichern Italiens Ministerpräsident Berlusconi die Mehrheit. Dennoch soll er seine Leute bereits auf Neuwahlen eingestimmt haben

Hamburg. Der Mann scheint skandalresistent, ob Sexaffären oder Stimmenkauf, ob Hunderttausende in Rom gegen die Regierungspolitik protestieren oder der Müll in Neapel zum Himmel stinkt. Silvio Berlusconi, gestählt als politischer Überlebenskünstler, hat gestern den Machtkampf mit der Opposition in beiden Parlamentskammern gewonnen. Nachdem der Multimilliardär und Medienmogul im Senat die Vertrauensabstimmung für sich entschieden hatte, überstand der 74-Jährige auch in der Abgeordnetenkammer einen Misstrauensantrag - mit einer Mehrheit von drei Stimmen.

Und die Emotionen kochten hoch. Wegen eines Handgemenges unter den Parlamentariern war die Stimmenauszählung kurzzeitig unterbrochen worden. Auf den Straßen prügelten sich Demonstranten mit der Polizei. Berlusconi, der Italien mit Unterbrechungen seit 1994 regiert, hatte geahnt, dass es diesmal knapp werden könnte. So hatte er im Vorfeld der Abstimmung im Gegensatz zu seiner bisherigen Haltung eine Neuordnung der Regierungsmannschaft in Aussicht gestellt. Auch erklärte er sich bereit, das Regierungsprogramm zu überarbeiten. Damit griff er eine Forderung seines alten Weggefährten und neuen Widersachers Gianfranco Fini auf, dessen Ausscheiden aus Berlusconis Partei PDL die jüngste Krise ausgelöst hat.

Fini hatte beide Punkte als Voraussetzung dafür genannt, dass seine Gefolgsleute in der neuen Gruppe FLI die Koalition von PDL und Lega Nord unterstützen. Bis zu jeweils 500 000 Euro sollen zudem als Überzeugungshilfe an unentschlossene Parlamentsabgeordnete geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Am Ende hat es der unverwüstliche Norditaliener mit dem undurchsichtigen Geschäftsgebaren, der sich gern als "Retter Italiens" aufspielt und wahlweise mit Gott, Napoleon oder Superman vergleicht, wieder geschafft. Auf ganzer Linie. An der Mailänder Börse legte der Aktienkurs der von Berlusconis Familie beherrschten Mediengruppe Mediaset vier Prozent zu. Die Finanzmärkte hatten die Abstimmung aufmerksam verfolgt. Schließlich hätten Neuwahlen oder eine längere Phase der Unsicherheit in Rom die Finanzkrise in Europa verschärfen können. Ohnehin zählt Italien mit einem Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu den am höchsten verschuldeten Ländern der Welt.

Berlusconis Lager begrüßte das Abstimmungsergebnis erleichtert und mit donnerndem Applaus. Zahlreiche Abgeordnete schwenkten die italienische Trikolore-Flagge. Dennoch hat Berlusconi keine Basis für ein stabiles Weiterregieren bis zum Ende der Legislaturperiode 2013, da er im Abgeordnetenhaus über keine Mehrheit verfügt.

Sein entscheidender Bündnispartner, die fremdenfeindliche Liga Nord, hatte bereits Vorbehalte gegen ein "weiter so" erhoben: "Entweder gibt es die Bedingungen für eine Fortsetzung der Koalition mit einer breiten Mehrheit, oder man strebt Neuwahlen an", sagte Innenminister Roberto Maroni von der Liga Nord. Auch Berlusconi soll seinen Anhängern im Vorfeld des Misstrauensvotums gesagt haben, sie müssten sich in jedem Fall auf Neuwahlen einstellen.

Allerdings glaubt er selbstbewusst, auch bei Neuwahlen wie Phönix aus der Asche zu steigen und ein Land regieren zu können, das dann bereits 62 Nachkriegsregierungen zerschlissen hätte.