Währungs- und Exportstreit schwelen weiter, aber der IWF wird zum machtvollen Wächter des Finanzmarkts

Hamburg/Seoul. "Ein Liebesfest" war das nicht gerade", knurrte ein Teilnehmer zum Abschluss des G20-Gipfels in Seoul. Das Treffen von Führern der 20 stärksten Industriestaaten der Erde in der südkoreanischen Hauptstadt war bis zuletzt von Spannungen geprägt gewesen. Entsprechend dünn fiel der Kompromiss aus, den die Staats- und Regierungschefs dann als großen Erfolg verkauften.

Es ist aufschlussreich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausdrücklich auf die "Bemühungen um Kooperation" hinweisen musste. Es sei in Seoul sehr ausführlich darüber gesprochen worden, "wie wir ein nachhaltiges, ausbalanciertes, beständiges Wachstum weltweit schaffen können", sagte die Kanzlerin. Und was die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Teilnehmerstaaten anbelange, so sei man sich einig gewesen, dass es zu deren Beurteilung mehrere Indikatoren brauche. Im Klartext: Noch kein Ergebnis, doch gut, dass wir zumindest mal darüber gesprochen haben.

"Sie haben entschieden, einfach einen Haufen lobenswerter Zielvorgaben als Ergebnis des Gipfels vorzulegen - und hoffen, dass sie bei künftigen Treffen mehr zustande bringen werden", zitierte der Londoner "Guardian" den in Singapur tätigen Finanzexperten Timothy Condon. Diese Zielvorgaben wurden als "indikative Richtlinien" für Handelsungleichgewichte etikettiert. Festgelegt werden sollen sie aber erst im nächsten Jahr. Gastgeber des G20-Gipfels im November 2011 in Cannes ist dann Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy.

Zeitweise soll es in Seoul nach Angaben aus Teilnehmerkreisen einen völligen Stillstand in den Verhandlungen gegeben haben. Im Mittelpunkt der Kritik standen vor allem die USA mit ihrer Forderung nach einer Begrenzung von Exportüberschüssen. Doch mit diesem Vorstoß scheiterte US-Präsident Barack Obama - vor allem am hartnäckigen Widerstand der beiden Exportgiganten China und Deutschland. Letztlich setzte sich die Kanzlerin durch und konnte verkünden: "Von diesem Ansatz (der USA) sind jetzt alle weg."

Auch der erbitterte Währungsstreit zwischen den USA und China konnte in Seoul nicht ausgeräumt werden. Washington wirft Peking vor, den Kurs des Renminbi niedrig zu halten, um chinesische Exporte zu verbilligen. Obama hatte dies mit der Formulierung "kompetitive Unterbewertung" im Abschlusstext geißeln lassen wollen, vermochte sich aber auch hier nicht durchzusetzen. Nun heißt es wachsweich, die G20-Staaten wollten künftig von einer "kompetitiven Abwertung" ihrer Währungen absehen - was so ohnehin nicht vorgesehen war. Die Wechselkurse sollen vom Markt bestimmt werden.

Die Argumentationskraft Obamas war zusätzlich durch den Umstand geschwächt, dass die US-Notenbank in den nächsten Monaten 600 Milliarden Dollar auf den Geldmarkt werfen will - was de facto einer künstlichen Verbilligung des Dollars gleichkommt und den anderen Staaten erhebliche Sorgen bereitet. Matt verteidigte sich der US-Präsident mit dem Argument, dies diene lediglich der Ankurbelung der schwächelnden US-Konjunktur. Merkel hatte zu dem Vorhaben kritisch angemerkt, kein Mensch könne ein Interesse an neuen Finanz-"Blasen" haben.

Als bemerkenswertestes Ergebnis des Gipfels gilt die Einigung auf eine Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) - die allerdings bereits von den Finanzministern der G20-Staaten im Oktober ausgearbeitet worden war. Diese Reform sieht mehr Stimmengewicht für Schwellenstaaten wie China zulasten Europas vor. Vor allem aber soll der IWF mehr Finanzmittel und mehr Befugnisse erhalten, um die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten besser überwachen und frühzeitig Alarm schlagen zu können.

Merkel sprach von einem "Meilenstein". Sechs Prozent der Stimmen im IWF wandern jetzt zu den aufstrebenden Staaten - China wird auf diese Weise zur drittstärksten Kraft im 187 Mitglieder umfassenden Währungsfonds. Der IWF ist in der Finanzkrise zu einem wichtigen Instrument geworden und hilft auch dem hoch verschuldeten Griechenland mit Krediten aus.

Die Staats- und Regierungschefs unterzeichneten zudem das Basel-III-Abkommen, ein ergänzendes Regelwerk für den internationalen Finanzmarkt. Künftig müssen die Banken mehr Eigenkapital bereithalten, um für neue Krisen besser gerüstet zu sein.