Zugleich kritisiert der Außenminister den Chodorkowski-Prozess scharf

Moskau. In ungewöhnlich scharfer Form hat Außenminister Guido Westerwelle in Moskau das Finale im zweiten Prozess gegen den Kremlgegner und Öl-Milliardär Michail Chodorkowski kritisiert. Bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow äußerte Westerwelle "sehr ernsthafte Besorgnis" über das Verfahren. Gleichwohl bekräftigte Westerwelle bei dem Arbeitsbesuch das deutsche Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Russland.

Bei seinem Arbeitsbesuch sprach der deutsche Minister auch Fragen der Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte an. "Es liegt im russischen Interesse, dass diese Sorgen ernst genommen werden", sagte Westerwelle mit Blick auf das Verfahren gegen Chodorkowski, das der Westen für politisch gesteuert hält.

Lawrow verwies hingegen auf die "Unabhängigkeit" der russischen Justiz. Anklage und Verteidigung hätten in den Plädoyers ihre Argumente vorgetragen. "Das Gericht wird entscheiden", sagte er. Dem früheren Chef des inzwischen zerschlagenen Yukos-Konzerns droht wegen Veruntreuung von 218 Millionen Tonnen Öl eine neue mehrjährige Haftstrafe. Das zweite Urteil wird spätestens im Dezember erwartet. Die Verteidigung hält die Anklage für eine Inszenierung, um einen der schärfsten Kritiker von Regierungschef Wladimir Putin kaltzustellen.

Insgesamt äußerten sich Westerwelle und Lawrow aber positiv zum Stand der deutsch-russischen Beziehungen. Als gutes Signal wertete der FDP-Chef zudem die Teilnahme von Kremlchef Dmitri Medwedew am bevorstehenden Nato-Gipfel in Lissabon. Westerwelle erneuerte das Nato-Angebot an Russland, bei dem geplanten Raketenabwehrsystem dabei zu sein. Allerdings verlangte Lawrow von der Allianz weitere Informationen darüber, wie eine Beteiligung Russlands aussehen könne und wie der Westen insgesamt die Bedrohungslage einschätze.