Benedikt XVI. räumt auf Staatsbesuch offen Fehler der Kirche bei Missbrauchsfällen ein
Hamburg/London. Im Vorfeld des ersten Staatsbesuchs eines Papstes in Großbritannien war im Zusammenhang mit dem deutschen Pontifex Benedikt XVI. viel vom "Rottweiler" und ehemaligen "Panzerkardinal" die Rede gewesen. Doch zum Ende der viertägigen Visite schrieb die Londoner "Times", der Papst sei vielmehr "ein heiliger Großvater", der die Briten mit seiner Güte beeindruckt habe.
Vor dem Hintergrund der Abspaltung der anglikanischen von der katholischen Kirche vor fast 500 Jahren und den Missbrauchsskandalen katholischer Priester galt die Reise als bislang schwierigste des 83-jährigen Papstes. Benedikt XVI. bekundete in Großbritannien mehrfach "Scham und Entsetzen" über derart "kranke Priester" und ihre "unaussprechlichen Verbrechen", empfing fünf Missbrauchsopfer zum Gespräch und räumte offen ein, die Kirche habe nicht entschlossen genug auf die Enthüllungen reagiert.
Benedikt umarmte Anglikaner-Primas Rowan Williams und wandte sich in einer Grundsatzrede scharf gegen atheistisches und allzu säkulares Denken. Bis zu 10 000 Menschen demonstrierten gegen den Papst-Besuch, doch weit mehr nahmen an den Messen Benedikts teil - 85 000 waren es allein in London, wo zuvor 200 000 die Straßen gesäumt hatten. Er habe in seinen Reden eine "Klarheit des Denkens" gezeigt, die die "diffusen Lautäußerungen britischer Politiker" beschäme, schrieb der nicht eben als deutschfreundlich bekannte "Daily Telegraph". Zudem gedachte Benedikt der Opfer der deutschen Luftangriffe auf Coventry 1940.
Die sechs algerischen Reinigungskräfte, die der Planung eines Anschlages auf den Papst verdächtigt worden waren, kamen indessen wieder frei. Sie hatten sich offenbar nur einen Witz über einen solchen Anschlag erzählt.
Genüsslich berichtete die britische Presse über einen Dialog am Rande des Staatsempfangs für den Papst im Holyroohouse-Palast in Edinburgh. Prinz Philip, berüchtigt für seine scharfe Zunge, fragte frech die 60-jährige Chefin der schottischen Konservativen, Annabel Goldie, warum sie als Einzige im Raum keinen Schlips im Schottenmuster trage: "Haben Sie sich daraus vielleicht ein Paar Unterhosen genäht?" Die als eiserne Jungfrau bekannte Goldie schnappte: "Falls ja, werde ich sie hier bestimmt nicht vorführen." Zuvor hatte Philip den Papst gefragt, ob er mit seinem gläsernen Papamobil gleich weiter nach Glasgow fahre.
(Fra)