US-Präsident erklärt Irak-Krieg für beendet und rückt die Wirtschaft in den Mittelpunkt

Washington. Es war ein ungewöhnliches Kriegsende, das Barack Obama aus dem Oval Office des Weißen Hauses verkündete. "Die ,Operation Irakische Freiheit' ist beendet", sagte der Präsident in die Fernsehkameras. Dann aber fügte er hinzu, für eine "Übergangszeit" blieben US-Kräfte mit dem Auftrag im Lande, die Truppen des Irak zu trainieren und zu unterstützen. Dabei handelt es sich um fast 50 000 amerikanische Soldaten, die nach einem Abkommen des vorigen Präsidenten George W. Bush mit der irakischen Regierung Ende 2011 heimgeholt werden sollen.

Tatsächlich ist der Krieg im Irak keineswegs beendet. Das instabile Land, dessen Parteien nach den Parlamentswahlen Anfang März bis heute nicht in der Lage waren, eine Regierung zu bilden, sieht sich einer neuen Terrorwelle ausgesetzt. Amerikanische F-16-Kampfjets kontrollieren weiterhin den Luftraum. Der Geheimdienst CIA überwacht auch künftig in Kooperation mit irakischen Kollegen nicht nur den Funkverkehr im Land. Die zunehmende Gewalt der mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbündeten Aufständischen wird die irakische Regierung immer wieder zwingen, US-Truppen zur Unterstützung anzufordern.

Die Umstände hätten es nahegelegt, den Rückzug zu verschieben. Doch Obama hatte im Wahlkampf versprochen, die Truppen bis Ende 2009 heimzuholen. Dieses Datum wollte er gegenüber den Wählern, die durch die heimische wirtschaftliche Situation gefrustet sind und sich zunehmend gegen seine Politik mobilisieren lassen, allenfalls um wenige Monate überziehen. Anfang November werden in den Midterm-Elections das Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt, und die Republikaner führen dort mit sensationellen 51 zu 41 Prozent, ermittelte das Gallup-Institut in der letzten Augustwoche bei einer repräsentativen Befragung registrierter Wähler. "Wir haben einen hohen Preis gezahlt", sagte der Präsident, und ungewöhnlicherweise bezifferte er die Kosten des Einsatzes. Seit dem Angriff auf Bagdad im März 2003 hätten die USA eine Billion Dollar für den Krieg ausgegeben, "oft finanziert durch Schulden im Ausland", dadurch "die Investitionen für die eigene Bevölkerung gekürzt und ein Rekorddefizit hervorgebracht".

Zu den 4416 gefallenen US-Soldaten kommen 31 929 hinzu, die verwundet, und 40 166, die durch nicht feindliche Einwirkungen verletzt wurden. 97 461 Ziviltote sind zu beklagen.

Obwohl der Krieg teuer war, hat er nicht die von Obama unterstellte Bedeutung für das US-Defizit, das bei gigantischen 1,5 Billion Dollar liegt. Denn 2007 betrug es lediglich 161,5 Milliarden Dollar, und zu diesem Zeitpunkt waren die Kosten für die Kriege im Irak und in Afghanistan bereits eingerechnet. Erst ab 2008 stieg es infolge der Wirtschaftskrise sprunghaft an, als Steuereinnahmen einbrachen, Kosten für Arbeitslose explodierten und beispiellose Konjunkturpakete auf den Weg gebracht wurden. Und mit den zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten nahm die Zustimmung für den Krieg in der Bevölkerung ab. Die "dringlichste Aufgabe" sei deshalb nun der wirtschaftliche Aufschwung, damit Millionen von US-Bürgern wieder einen Job fänden. "Wir haben zu lange all die schwierigen Entscheidungen aufgeschoben, in der Industrie, der Energiepolitik oder bei der Reform unseres Bildungssystems", sagte Obama.

Nun sei es auch an der Zeit, "eine neue Seite aufzuschlagen", sagte Obama im Bemühen, Brücken zwischen beiden Lagern zu bauen. Vor seiner Rede habe er mit Bush telefoniert. "Es ist bekannt, dass er und ich von Beginn an unterschiedlicher Meinung über den Krieg waren. Aber niemand kann die Unterstützung von Präsident Bush für unsere Truppen bezweifeln oder seine Liebe zu unserem Land und sein Engagement für unsere Sicherheit." Es habe "Patrioten gegeben, die diesen Krieg unterstützten, und Patrioten, die ihn ablehnten". Das war der Appell an die Wähler, auch ihm, dem Präsidenten Obama, eine patriotische Haltung zuzugestehen. Viele Brunnenvergifter in der inneramerikanischen Debatte sind dazu längst nicht mehr bereit.