Der US-Geheimdienst traut dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai nicht und holt Informationen von dessen Untergebenen ein.

Washington/Kabul. Es ist ein geheimer Brief, der viel aussagt über das Verhältnis der USA zum afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Ende vergangenen Jahres bezweifelte der US-Botschafter in Kabul, Karl Eickenberry, in einem vertraulichen Schreiben, dass Karsai noch ein "angemessener strategischer Partner" der US-Regierung sein könne. Das Verhältnis zwischen den USA und Afghanistans Staatsoberhaupt ist seit Jahren angespannt. Es dominiert Misstrauen und Frust aufseiten der Amerikaner. Karsai lässt kaum eine Gelegenheit aus, die "lieben Brüder", wie er die Taliban nannte, zu umschmeicheln. Seitdem Karsai sie mit an den Verhandlungstisch zu Friedensgesprächen holen will, wird die Kritik aus den USA an Karsai wieder lauter.

Und das Misstrauen der amerikanischen Regierung gegenüber Afghanistans Präsidenten ist offenbar so stark, dass der US-Geheimdienst CIA verlässliche Informationen über die Arbeit der afghanischen Regierung lieber bei anderen Mitarbeitern holt - und nicht beim Präsidenten. Einem Bericht der Zeitung "Washington Post" zufolge führt die CIA zahlreiche Mitglieder der Regierung Karsais auf einer geheimen Gehaltsliste. Die Zahlungen würden als notwendig erachtet, weil Karsai "nicht alles erzählt" und oft auch nicht zu wissen scheine, was in seiner Regierung vorgehe, zitiert die "Washington Post" einen ehemaligen Mitarbeiter des Geheimdienstes. Die Gelder sollen an eine "bedeutsame Zahl" von Regierungsbeamten in Kabul geflossen sein - mit dem Ziel, ein dichtes Netz an Zuträgern im Präsidentenpalast zu unterhalten.

Einige seien CIA-Informanten, andere hätten weniger formale Verbindungen, schreibt die Zeitung. Der Geheimdienst leiste die Zahlungen trotz Bedenken, dass dadurch Korruption gefördert und Anstrengungen durchkreuzt werden könnten, die Abhängigkeit von dunklen Finanzierungskanälen zu verringern. Zwar hatte Obama kürzlich gesagt, dass die Afghanen "Fortschritte" in der Korruptionsbekämpfung gemacht hätten. Doch immer wieder hatten Verantwortliche der amerikanischen Afghanistan-Politik über Korruption und Inkompetenz auf Seiten der afghanischen Regierung geklagt.

Die CIA reagierte mit scharfer Kritik auf die Veröffentlichung. Die anonyme Quelle der Zeitung werde von "Ignoranz, Bosheit oder beidem getrieben", sagte Sprecher Paul Gimigliano. Der Geheimdienst spiele eine entscheidende Rolle, US-Ziele in Afghanistan voranzubringen, darunter Sicherheit und Stabilität. Spekulationen darüber, wer dabei helfe, seien "sowohl gefährlich als auch kontraproduktiv", sagte Gimigliano.

Doch glaubt man den Berichten der "Washington Post", unterhält der Geheimdienst bereits seit Jahren enge Verbindungen zu Mitgliedern der afghanischen Regierung. "Sie zahlen an jeden, von dem sie denken, dass er ihnen helfen kann", wird ein US-Beamter zitiert. "Das ist die Haltung der CIA seit 2001." In diesem Jahr begann der Krieg in Afghanistan.

Der US-Auslandsgeheimdienst ist den Angaben zufolge aber nicht die einzige Finanzierungsquelle, die mit Geheimzahlungen versucht Einfluss auf das Schicksal Afghanistans zu nehmen. Der Präsidentenpalast unterhalte einen Fonds, aus dem politische Loyalität belohnt werde und der sich aus Mitteln der iranischen Regierung, ausländischer Geheimdienste und wichtiger afghanischer Firmen speise, berichtet die "Washington Post" unter Berufung auf einen "prominenten Afghanen mit Kenntnissen der internen Vorgänge". Aus dem Fonds würden jedes Jahr zwischen zehn und 50 Millionen Dollar (7,9 bis 39,4 Millionen Euro) an die politische Elite Afghanistans verteilt.