Frankreichs Präsident Sarkozy fährt harten Kurs gegen Roma, um sich auf dem Feld der inneren Sicherheit handlungsfähig zu zeigen.

Paris. Für die Opposition handelt es sich um ein " Ablenkungsmanöver " - und das war noch einer der freundlicheren Kommentare zu dem Maßnahmenkatalog, mit dem der französische Innenminister Brice Hortefeux künftig gegen "fahrendes Volk" und Roma in Frankreich vorgehen will. 300 "illegale Lagerplätze" sollen in den nächsten Monaten geräumt werden. Roma, "die gegen die öffentliche Ordnung verstoßen oder betrügerische Handlungen begangen haben", sollen in den Genuss einer "quasi unverzüglichen Rückführung Richtung Bulgarien oder Rumänien" kommen. Außerdem sind verschärfte Steuerprüfungen geplant. Denn - wie der Innenminister ziemlich süffisant anmerkte - "manche Landsleute" wunderten sich "zu Recht über die großzylindrigen Fahrzeuge, die die Wohnwagen ziehen".

Menschenrechtsgruppen und Vertreter der Roma warfen der Regierung postwendend "Fremdenfeindlichkeit" und "Rassismus" vor. Präsident Nicolas Sarkozy hatte seinen Innenminister neben Premierminister François Fillon und vier weiteren Kabinettsmitgliedern in dieser Woche in den Élysée-Palast gerufen, um über die Konsequenzen aus den Ausschreitungen in der Kleinstadt Saint-Aignan im Departement Loir-et-Chair zu beraten. Dort hatten Roma vor zwei Wochen eine Polizeistation angegriffen und Teile des Ortszentrums verwüstet, nachdem einer der ihren bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei zu Tode gekommen war.

Die nun angekündigten Maßnahmen sind ein Versuch Sarkozys , sich auf einem für ihn wahlkampfrelevanten Feld - der inneren Sicherheit - handlungsfähig zu zeigen. Innenminister Hortefeux gab kund, es ginge nicht darum, "eine gesellschaftliche Gruppe zu stigmatisieren", sondern darum, "illegales Verhalten zu bestrafen". Vertreter von Menschenrechtsgruppen wie SOS Racisme sehen das anders und nannten die Verlautbarungen der Regierung "ein Festival der Klischees". Die Organisation France Terre Asile beklagte, bereits seit acht Jahren würden Lagerauflösungen und Ausweisungen betrieben. Die Partei der Sozialisten kritisierte am Donnerstag eine "sicherheitspolitische und fremdenfeindliche Entgleisung" der Regierung. Anstatt sich um die Integration der (mehrheitlich) französischen und der ausländischen "fahrenden Gesellen" zu kümmern, betreibe die politische Rechte weiterhin irreführende Demagogie, so erklärte es der Menschenrechtsbeauftragte der PS, Pouria Amirshahi.

In der PS neigt man stark dazu, die Ausschreitungen in Saint-Aignan einfach als bedauerlichen Einzelfall zu bewerten, mit dem sich allein die Justiz zu befassen habe. Stattdessen setze Nicolas Sarkozy aber "populistische Akzente" und vermenge auf "skandalöse Weise fahrendes Volk, Roma, illegale Einwanderung und Gewalt jeder Art", sagte Amirshahi.

Tatsächlich scheint in der Diskussion derzeit einiges durcheinanderzugehen. Das beginnt mit der Bezeichnung. "Gens de voyage" (fahrendes Volk) ist eine Kategorie, die 1969 eingeführt wurde und bezeichnet französische Staatsbürger mit fahrbarem Wohnsitz. Schätzungen über ihre Zahl in Frankreich bewegen sich zwischen 300 000 und 500 000. Roma hingegen sind keine französischen Staatsbürger, sondern kommen meist aus Bulgarien oder Rumänien. Zwischen 15 000 und 20 000, vermutet man, sind in Frankreich unterwegs.

Der französische Integrationsminister Eric Besson hat im Jahr 9875 Roma ausweisen lassen, 85 Prozent davon nach Rumänien. Viele dieser Rotationseuropäer kassierten eine "Rückführungsprämie" von 300 Euro - und tauchten wenig später wieder in Frankreich auf. Das soll künftig eine europäische Datenbank verhindern. Doch auch für die "Gens de voyage", die sich legal in Frankreich aufhalten, ist es nicht eben einfach, ihren Lebensstil jederzeit im Einklang mit geltenden Gesetzen zu kultivieren.

In der Theorie gibt es seit 1990 die "Loi Besson" - ein Gesetz, das Kommunen über 5000 Einwohner verpflichtet, einen geeigneten Lagerplatz für reisendes Volk bereitzustellen. Demnach müsste es in Frankreich rund 42 000 solcher Orte geben, doch es existiert nicht einmal die Hälfte. Viele Gemeinden versuchen sich der lästigen Pflicht zu entziehen.

Im südfranzösischen Departement Var etwa gibt es bis heute gerade mal vier offizielle Lagerplätze für die "Gens de voyage". Es sollten 39 sein. Denn irgendwo müssen die Reisenden halt halten.