Frankreich erlebt eine Staatsaffäre, in der auch die Unabhängigkeit der Ermittler angezweifelt wird

Paris. In der Spendenaffäre um die französische L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt dürfte es bald eine Menge neues Material geben: Die Polizei verhörte in Paris mehrere Schlüsselfiguren zu Vorwürfen des Steuerbetrugs und der illegalen Parteifinanzierung. Sowohl der Vermögensverwalter der Milliardärin, Patrice de Maistre, als auch ihr Freund und Günstling François-Marie Banier kamen in Polizeigewahrsam.

In der Affäre stehen Präsident Nicolas Sarkozy und sein Arbeitsminister Eric Woerth im Verdacht, illegale Parteispenden angenommen zu haben. Beide Politiker weisen dies zurück. Die Ermittler verhörten außerdem einen früheren Hausjuristen und den Verwalter einer Seychellen-Insel, deren Besitz Bettencourt dem Fiskus verschwiegen haben soll.

In der Affäre um die L'Oréal-Erbin sind so viele pikante Details bekannt, dass es für die Ermittler eigentlich eine reine Freude sein müsste, die Geschichte aufzudröseln. Nicht so in Frankreich: Der Staatsanwalt steht dem Präsidenten nahe und damit unter Verdacht, das Verfahren zu bremsen. Mediensüchtige Staranwälte giften sich gegenseitig an. Mehrere Verfahren überlappen sich. Rufe nach einem unabhängigen Untersuchungsrichter werden immer lauter.

Was als Streit zwischen der reichsten Frau Frankreichs und ihrer Tochter begann, hatte sich zu einer Staatsaffäre ausgeweitet, als durch heimliche Tonbandaufnahmen Hinweise auf Steuerbetrug und illegale Parteispenden bekannt wurden.

Unterdessen wies die 87-jährige Bettencourt Vorwürfe zurück, sie habe Bargeld beim Essen verteilt. "Es ist absurd, dass Politiker an unserem Tisch Umschläge in Empfang genommen haben sollten", sagte sie nach Angaben ihres Anwalts, den die Zeitung "Le Figaro" zitierte. "Umschläge am Tisch zu verteilen wäre ein Verstoß gegen die gute Erziehung", fügte die reichste Frau Frankreichs hinzu. Sie forderte außerdem ihren Vermögensverwalter de Maistre auf, eine unabhängige Prüfung der drei Gesellschaften zu organisieren, die ihr Vermögen verwalten. Sie werde auch eine ärztliche Untersuchung akzeptieren - um zu beweisen, dass sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sei, sagte sie dem Sender France 3.

Liliane Bettencourt, deren Vermögen auf 17 Milliarden Euro geschätzt wird, lenkte jahrelang zusammen mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann André die Geschicke des Kosmetikimperiums L'Oréal. Doch die eigene Tochter wirft ihr vor, sie sei nicht mehr zurechnungsfähig und lasse sich von ihren Beratern und Vertrauten ausnutzen. Sie will ihre Mutter entmündigen lassen. Nur aus Schutz für ihre Mutter, versichert die Pianistin, deren Mann in der Konzernspitze von L'Oréal arbeitet. Allerdings war es gerade sie, die der Polizei unlängst heimliche Tonaufnahmen übergab, aufgezeichnet im Hause ihrer Mutter. "Sie sollte lieber geduldig auf meinen Tod warten, als alles dafür zu tun, ihn schneller herbeizuführen", sagte Bettencourt über die Äußerungen ihrer Tochter.