Frankreichs Gewerkschaften machen gegen die Pläne von Präsident Sarkozy mobil

Paris. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy muss im Moment mehrere Brände gleichzeitig löschen: So machte er das desaströse Abschneiden der Nationalmannschaft bei der Fußball-WM zur Chefsache - und empfing gestern deren früheren Kapitän Thierry Henry im Élysée-Palast. Nach der Rückkehr der Mannschaft aus Südafrika will er sich zudem an die Spitze einer nationalen Fußballreform setzen. Für Oktober kündigte er ein Treffen aller Verantwortlichen an.

Zumindest für eine Zeit drängte Sarkozy mit der Fußball-Krise ein ganz anderes Reformprojekt in den Hintergrund, mit dem er sich ähnlich viele Feinde macht wie derzeit Frankreichs Nationalelf: die Rentenreform. Bis 2018 will die Regierung das Rentenalter schrittweise auf 62 Jahre anheben. Erneut gab es gestern heftige Proteste gegen diesen Plan. Die Gewerkschaften riefen landesweit zu Demonstrationen auf. Flug- und Bahnreisende mussten ausfallende Verbindungen und Verspätungen hinnehmen. Etwa jeder zweite Hochgeschwindigkeitszug TGV und jeder vierte Regionalzug fielen aus. Auch Schulen, Kindergärten, Unternehmen und Behörden waren von Protestaktionen betroffen. Der Chef des Gewerkschaftsbunds CGT, Bernard Thibault, bezifferte die Zahl der Demonstranten auf zwei Millionen. Ungewöhnlich stark wurde der Aufruf zum Arbeitskampf in der Privatindustrie befolgt. In vielen Großbetrieben ruhte die Arbeit. In ganz Frankreich waren rund 200 Demonstrationen geplant.

Derzeit liegt das Rentenalter in Frankreich bei 60 Jahren - während in Deutschland bereits eine Erhöhung von 65 auf 67 Jahre beschlossen ist. Zusätzlich soll der Mindestzeitraum für Beitragszahlungen weiter erhöht werden.

Mit der Reform will die Regierung von Sarkozy den Kollaps des französischen Rentensystems verhindern und damit auch zur Haushaltssanierung beitragen - nicht zuletzt, um die Märkte zu überzeugen, dass Frankreich sein Defizit und seine Verschuldung in den Griff bekommt. Andernfalls droht dem Land Experten zufolge der Verlust seines AAA-Ratings als Top-Schuldner.

Laut Gewerkschaften gibt es andere Möglichkeiten, die Milliardenlöcher in der Sozialkasse zu stopfen. Unter anderem sollten Kapitaleinkünfte wesentlich stärker besteuert werden, meinen die Arbeitnehmervertreter. Nach einer aktuellen Umfrage für die regierungsnahe französische Tageszeitung "Le Figaro" können die Gewerkschaften bei den Protesten nicht auf eine Unterstützung der Mehrheit zählen. 58 Prozent der Franzosen akzeptieren demnach die Erhöhung des Rentenalters.