Indien testet erfolgreich eine atomwaffentaugliche Langstreckenrakete. China reagiert demonstrativ gelassen auf das indische Muskelspiel.

Neu-Delhi/Bhubaneswar. Mit dem erfolgreichen Test einer atomwaffentauglichen Langstreckenrakete ist Indien auch militärisch in den Kreis der Weltmächte aufgerückt. Das wirtschaftlich aufstrebende Schwellenland feuerte gestern einen Flugkörper ab, der mit einer Reichweite von mehr als 5000 Kilometern Atomsprengköpfe bis nach Osteuropa oder Peking tragen kann. Bislang verfügen offiziell nur die Uno-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien über derartige Waffen.

Trotz der anhaltenden Spannungen mit dem Erzrivalen Pakistan - ebenfalls eine Atommacht - gilt Indiens Aufrüstung auf diesem Gebiet eher als Abschreckung gegen China. Sie dürfte auch den Anstrengungen Indiens für einen größeren Einfluss in der Weltpolitik und einen ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat geschuldet sein. Indiens Ministerpräsident Manmohan Singh bezeichnete den Raketentest als einen Meilenstein auf dem Weg zur Stärkung der nationalen Sicherheit und Ausbau der Forschung.

Fernsehbilder zeigten, wie die Rakete "Agni V" (Agni bedeutet Feuer) von einer Insel vor der Ostküste abhob. Sie sei die Krönung des in den 1960er-Jahren gestarteten Raketenprogramms, erklärte die Regierung. Die Rakete kann einen bis zu einer Tonne schweren Atomsprengkopf tragen und soll frühestens in zwei Jahren einsatzbereit sein. Die Rakete flog etwa 20 Minuten und stürzte am ausgerechneten Punkt ins Meer.

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Anders als bei dem in der vergangenen Woche missglückten Raketentest Nordkoreas blieb diesmal scharfe internationale Kritik aus. Denn Indiens Programm wird vom Westen zumeist stillschweigend gebilligt, obwohl das Land nicht dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist. Erst am Mittwoch hatte die Nato erklärt, dass von Indien, das dank seiner boomenden Wirtschaft auch im Kreis der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) immer mehr an Bedeutung gewinnt, keine Gefahr ausgehe. Die US-Regierung äußerte sich ähnlich und forderte Indien lediglich zu Zurückhaltung auf.

Pakistan reagierte zunächst nicht auf das indische Muskelspiel. Indien und Pakistan haben seit der Unabhängigkeit von Großbritannien drei Kriege geführt. China äußerte sich moderat. "China und Indien sind große Schwellenländer. Wir sind keine Konkurrenten, sondern Partner", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.

Chinesische Experten geben sich demonstrativ gelassen. "Militärisch hat China keine Angst vor dem indischen Raketentest", sagte Professor Cheng Xiaohe von der Volksuniversität in Peking der dpa. "Auch wenn sie jetzt mit der Rakete gerüstet sind, ist es nicht wirklich eine militärische Bedrohung für China." Peking besitzt schon lange ein Atomraketenarsenal. "Egal ob bei atomaren oder konventionellen Waffen, Indien hinkt China hinterher", sagte Cheng Xiaohe.