Mit Fragen zu Kontakten zu Nationalisten haben die Staatsanwälte den Prozess gegen den geständigen Massenmörder Anders Breivik wiedereröffnet.

Oslo/Leutkirch. Mit der Befragung über seine Kontakte zu anderen militanten Nationalisten ist der Prozess gegen den norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik am Mittwoch fortgesetzt worden. Die Staatsanwälte wollen sich auf die Zeit von 2001 bis 2006 konzentrieren, in der Breivik seinen Hass auf alles Multikulturelle und seine politische Ideologie entwickelte. Er habe vor allem über das Internet Kontakt zu Gleichgesinnten gesucht, erklärte Breivik, der erschöpft und etwas resigniert wirkte.

Breivik weigerte sich, tiefergehende Fragen von Staatsanwältin Inga Bejer Engh zu beantworten. Breivik sollte auch zu dem angeblichen Netzwerk der "Tempelritter“ befragt werden. "Ich möchte das nicht kommentieren. Sie können dieses Thema einfach überspringen“, sagte der 33-Jährige am Mittwoch mehrmals. "Wenn Sie nicht antworten, kann das gegen Sie verwendet werden“, bemerkte Richterin Wenche Elizabeth Arntzen.

"Ich hoffe, Sie legen weniger Gewicht darauf, mich lächerlich zu machen, und mehr auf die Sache“, sagte er an Engh gerichtet. Die Staatsanwaltschaft wolle ja nur anzweifeln, dass die "Tempelritter“ existierten. Engh bestätigte das.

Breivik, der sich für den Tod von 77 Menschen verantworten muss, wird in Oslo noch bis kommenden Montag befragt. Er ist wegen Terrorismus und vorsätzlichen Mordes angeklagt. Der Prozess gegen Breivik begann am Montag. Die entscheidende Frage in dem auf zehn Wochen terminierten Verfahren wird die Schuldfähigkeit des Angeklagten sein. Zwei Gutachten kamen hier zu gegensätzlichen Ergebnissen.

Breivik hatte am 22. Juli 2011 zunächst eine Bombe im Regierungsviertel von Oslo gezündet und dann auf der Ferieninsel Utøya unter den Teilnehmern eines Jugendcamps ein Massaker angerichtet. In seiner Aussage vor Gericht bezog er sich auch auf die Zwickauer Terrorzelle NSU in Deutschland. Die Gegner von Einwanderung und Multikulturalismus hätten sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht frei äußern dürfen, sagte der 33-Jährige am Dienstag mit Blick auf seine Attentate, bei denen er im vergangenen Sommer in Norwegen 77 Menschen kaltblütig getötet hatte.

„Es sind diese Ungerechtigkeiten, die mich, den Lasermann in Schweden und die NSU in Deutschland schafften“, sagte der rechtsradikale Islamhasser. Der als „Lasermann“ bekanntgewordene Schwede John Ausonius hatte von 1991 bis 1992 mit einer Schusswaffe Jagd auf dunkelhäutige Opfer gemacht. Er wurde wegen Mordes und neun Mordversuchen zu lebenslanger Haft verurteilt.

In Deutschland war im vergangenen Jahr eine beispiellose Mordserie der Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ans Licht gekommen. Die Mitglieder der Zelle hatten sich jahrelang in Sachsen versteckt. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags, der mögliche Versäumnisse der Behörden beleuchtet, sollte am Dienstagnachmittag zum ersten Mal in Dresden zusammenkommen.

Kriminalexperte spricht Breivik-Prozess Seriosität ab

Derweil hält der Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, das Verfahren gegen Breivik für unseriös. Der Kriminalexperte lehnt die Live-Übertragung in den Medien ab. "Ein solcher Prozess hätte niemals im Fernsehen oder Internet übertragen werden dürfen“, sagt Pfeiffer der "Schwäbischen Zeitung“ (Mittwochausgabe).

+++ Leitartikel: Nicht zu ertragen +++

Dem Täter werde eine politische Agitationsbühne geboten. "Hier gibt man Schwerverbrechern die Möglichkeit, sich zu Helden zu stilisieren und unsterblich zu werden." Breivik wollte durch seine Morde vor allem Aufmerksamkeit erzielen. Durch die TV-Übertragung habe er dieses Ziel erreicht.

Angehörige der Opfer beklagen sich per SMS

Zu Beginn der Befragung am Dienstag hatte sich Breivik mit der "spektakulärsten Operation eines militanten Nationalisten in Europa in diesem Jahrhundert“ gebrüstet und mit seinen Attentaten geprahlt. Mehrfach unterbrach ihn die Richterin Wenche Elizabeth Arntzen und forderte ihn auf, sich zu mäßigen.

Angehörige der Opfer wandten sich während seines Vortrags per SMS an ihre Anwälte im Gerichtssaal. Breivik dürfe keine so große Bühne erhalten, sein Vortrag müsse gekürzt werden, forderten sie. Anders als am ersten Prozesstag waren am Dienstag keine Kameras im Gerichtssaal zugelassen.

Mit Material von dpa und dapd