Beim Überfall auf eine Touristengruppe sterben fünf Menschen, darunter zwei Deutsche. Die Regierung in Addis Abeba beschuldigt das Nachbarland Eritrea.

Addis Abeba. Für Abenteuertouristen und Naturliebhaber ist die Danakil-Senke im Nordosten Äthiopiens ein Sehnsuchtsort: Vulkane, in deren Kratern Lava blubbert, erheben sich über Salzseen und weitläufigen Wüsten, durch die Nomaden vom Stamm der Afar ziehen. Seitdem hier, in einer der heißesten Gegenden der Welt, Anfang der 1970er-Jahre die 3,4 Millionen Jahre alten Überreste eines Vormenschen gefunden wurden, gilt die Region als die Wiege der Menschheit. Zugleich ist sie für Besucher ein gefährliches Gebiet. Immer wieder gibt es Überfälle und Entführungen durch Banditen oder örtliche Untergrundorganisationen.

Für eine Gruppe von 22 Touristen und ihre äthiopischen Begleiter wurde das Dienstagnacht zum Verhängnis. Ihr Abenteuertrip endete, als Bewaffnete das Feuer auf sie eröffneten. Zwei Deutsche, zwei Ungarn und ein Österreicher starben nach Angaben der äthiopischen Regierung, ein Ungar und ein Italiener wurden schwer verletzt. Das Auswärtige Amt bestätigte den Tod zweier Deutscher. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, das Schicksal weiterer Deutscher sei ungeklärt. Für zwei von ihnen sowie einen Italiener, einen Ungarn und drei Äthiopier geht das Grauen womöglich weiter. Sie seien entführt und "wahrscheinlich nach Eritrea verschleppt" worden, sagte der äthiopische Regierungssprecher Bereket Simon.

Der Vorfall nahe der Grenze zu Eritrea ereignete sich in einem politisch instabilen Gebiet. Zwischen beiden Ländern brodelt schon lange ein Konflikt: 1962 von Äthiopien annektiert, erreichte Eritrea erst 1993 seine Unabhängigkeit zurück, doch der genaue Grenzverlauf wurde nie festgelegt und ist umstritten. 1998 brach ein Krieg aus, bei dem in den folgenden zwei Jahren bis zu 100 000 Menschen starben.

Bis heute lassen die Regierungen im äthiopischen Addis Abeba und im eritreischen Asmara keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. So beschuldigt Äthiopien den Nachbarn, im Januar 2011 einen Anschlag auf das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba geplant zu haben.

Auch für den Angriff auf die Touristengruppe machte Äthiopien schon wenige Stunden später das Nachbarland verantwortlich und drohte indirekt mit dem Einsatz seines Militärs. "Hinter dem Überfall steckt eine subversive Gruppe, die von der eritreischen Regierung trainiert und mit Waffen ausgerüstet wurde", sagte Regierungssprecher Simon. In der kommenden Woche beginnt in Addis Abeba der nächste Gipfel der Afrikanischen Union. "Offensichtlich will die eritreische Regierung vor dem Treffen für Unruhe sorgen. Sie unterstützt Terroristen und gefährdet den Frieden im ganzen Horn von Afrika. Äthiopien behält sich das natürliche Selbstverteidigungsrecht vor. Unsere Soldaten sind vor Ort, haben die äthiopisch-eritreische Grenze bislang nicht überschritten", so Simon.

Girma Asmerom, Eritreas Botschafter in Äthiopien, wies die Vorwürfe, empört zurück: "Das ist eine absolute Lüge und eine reine Erfindung. Es ist zu einer Gewohnheit der äthiopischen Regierung geworden, Eritrea zu beschuldigen, sobald irgendetwas in Äthiopien passiert. Eritrea hat mit dem Überfall absolut nichts zu tun. Ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist."

Die deutschen Behörden hatten zunächst ebenfalls keine Erkenntnisse über die Täter. "Wir kennen die Hintergründe noch nicht", sagte Jörg Ziercke, der Präsident des Bundeskriminalamtes. Mehrere BKA-Ermittler waren gestern auf dem Weg in die Region. Nach Angaben des österreichischen Außenministers Michael Spindelegger war die Gruppe in einem militärischen Sperrgebiet unterwegs. Etwa zehn Touristen aus der Gruppe, die den Tätern entkommen waren, wurden gestern am späten Abend mit einem Hubschrauber zurück nach Addis Abeba gebracht.

Der deutsche Reiseveranstalter, die Firma Diamir Erlebnisreisen in Dresden, sagte vorerst alle weiteren geplanten Äthiopienreisen ab. Diamir erklärte, der Danakil-Trip sei seit 2006 im Programm und werde mehrmals pro Jahr veranstaltet.

"Bis zum gegenwärtigen Zwischenfall hatte Diamir keinerlei Hinweise darauf, dass die Sicherheit der Gäste in der Region infrage stehen könnte", hieß es auf der Internetseite des Unternehmens, und weiter: "Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls bestand weder für Äthiopien noch für Teile des Landes eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland." Ministeriumssprecher Andreas Peschke bestätigte das, betonte aber, dass seit 2007 auf eine erhöhte Risikolage in der Region im Nordosten Äthiopiens hingewiesen werde.

Der in Addis Abeba lebende Italiener Luigi Cantamessa, dessen Reiseagentur seit 20 Jahren Touren in die Danakil-Wüste anbietet, befürchtet, dass der Überfall schwerwiegende Folgen haben wird. "Dieser Vorfall könnte den gesamten Tourismus nach Äthiopien zum Erliegen bringen, auch wenn die anderen Landesteile sicher sind. Das wäre eine Katastrophe für das Land."

Regierungssprecher Bereket Simon hingegen versuchte zu beschwichtigen: "Dies war ein isolierter Zwischenfall. Die Sicherheitslage im Land ist gut."