Auf der Hetzseite ist viel Propaganda zu finden. Dafür nutzten die Islamisten den Deckmantel des Konsulats. Dort weiß man von nichts.

Berlin. Ein Video, in dem ein vermummter Dschihadist mit einem Anschlag droht; ein Foto, auf dem der getötete einstige Al-Kaida-Führer Osama bin Laden lächelt; ein Pamphlet, in dem ein islamistischer Hetzprediger erklärt, warum der bewaffnete „Heilige Krieg“ Pflicht für jeden Muslim sei: Dschihadistische Internetseiten, auf denen sich Propaganda wie diese findet, gibt es unzählige. Es gäbe eigentlich keinen Grund, ausgerechnet den Parolen auf www.elifmedya.de einige Zeilen zu widmen – wäre da nicht die Anschrift, die der Anmelder der Seite bei der zuständigen Registrierungsstelle als Kontaktadresse eintragen ließ.

Es ist die Heerstraße 21 im Westen Berlins. Ein dreistöckiges Gebäude, die Fenster leicht verspiegelt, die Fassade mit Aluminiumblech verkleidet. Hier also soll der Betreiber der Dschihadisten-Seite wohnen, der Anmeldung zufolge heißt er Sayfullah Mucahid. Einen jungen Mann in einer dunklen Ein-Zimmer-Wohnung könnte man sich vorstellen, oder lebt er eher in einer islamistischen Wohngemeinschaft? Beherbergt das Haus eine Terrorzelle, deren Mitglieder den Untergang des christlichen Abendlandes herbeisehnen und sich – bis es soweit ist – hinter ihren Laptops verschanzen und Terrorpropaganda verbreiten?

Tatsächlich wohnt niemand in der Heerstraße 21. Es ist ein Bürohaus und in den Räumen hat auch kein zwielichtiger Islamisten-Verein seinen Sitz, sondern ausgerechnet das türkische Generalkonsulat. „Wir haben damit nichts zu tun“, sagt eine Mitarbeiterin des Konsulats. Sie wirkt nervös. Einen Sayfullah Mucahid – Mucahid heißt Gotteskrieger – gebe es bei ihnen auch nicht.

Was wie ein mittelmäßiger Witz einer dreisten Dschihadisten-Truppe daherkommt, gibt Beobachtern Rätsel auf. Klar - und wenig überraschend – ist, dass die Konsulatsmitarbeiter nicht heimlich in ihren Mittagspausen Terrorpropaganda verbreiten. Der bei der Internet-Registrierungsstelle „denic“ – zuständig für die Internetadressen, die auf „.de“ enden„ – hinterlegte Name und die Anschrift sind gefälscht. Davon kann man sicher ausgehen.

Wer tatsächlich hinter der Seite steckt, ist unklar. “Wir kennen die Seite und beobachten sie regelmäßig„, sagt eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Auf der Seite selbst finden sich nur wenige Hinweise, die Rückschlüsse auf den Betreiber zulassen. Die Texte sind in türkischer Sprache, was auf einen Türken oder einen türkischstämmigen Deutschen hindeutet. Dass bei der Anmeldung die Adresse des Türkischen Generalkonsulats in Berlin angegeben wurde, deutet auf Ortskenntnis der Hauptstadt hin. Ein türkischstämmiger Berliner also? Ein Einzelkämpfer, ein sogenannter Sessel-Dschihadist?

Oder steckt doch eine Gruppe dahinter? Der Name der Seite und das Logo scheinen darauf hin zu deuten. “Elifmedya„ prangt dort in großen schwarzen Lettern. Es ist der Name einer Medieneinheit, die Propaganda für islamistische Terrororganisationen verbreitet hat: die Islamische Dschihad Union, die Islamische Bewegung Usbekistans, die Deutschen Taliban Mujahideen. Diese Gruppen waren immer wieder Anlaufstelle auch für deutsche Islamisten, die sich im Grenzgebiet von Afghanistan und Pakistan zu Gotteskriegern ausbilden ließen.

Für Aufsehen sorgte Elifmedya im September 2009: Ein vermummtes Mitglied der Gruppe, mutmaßlich der deutsche Staatsbürger Yusuf O., drohte in einem Internetvideo mit Anschlägen in Deutschland. Ende dieses Monats muss sich Yusuf O. vor Gericht verantworten. In jüngster Zeit gab es kaum noch Propagandabotschaften von Elifmedya. Angehörige der Gruppe starben bei Drohnenangriffen oder Gefechten in Afghanistan oder Pakistan. Einige sind nach Deutschland zurückgekehrt. Sie sitzen in Haft oder warten auf ihre Verhandlung.

Viel ist also nicht mehr übrig von Elifmedya, vielleicht gibt es die Gruppe nicht mehr. Der Terrorismus-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik hält es daher für denkbar, dass die Seite von Islamisten betrieben wird, die keine direkte Verbindung zu Elifmedya haben, aber mit der Gruppe sympathisieren. “Es steckt eine Menge Arbeit in der Seite und es gibt Bezüge zu den Terrorgruppen, für die auch die Gründungsmitglieder von Elifmedya Propaganda gemacht haben." Ein Schwerpunkt sei aber nicht erkennbar.

Klar ist: Zu den wahren Hintergründen von www.elifmedya.de hatten bis zu der dapd-Anfrage weder das Türkische Generalkonsulat noch die Registrierungsstelle “denic" einen Hinweis erhalten. Nun will “denic" prüfen, ob die Adresse gesperrt wird. Technisch betrachtet wäre das kein Problem. Würde man statt www.elifmedya.de jedoch den Zahlencode der zugehörigen IP-Adresse eingeben, könnte man die Inhalte weiter sehen. Und: Wer auch immer hinter elifmedya.de steckt - er könnte problemlos eine neue Propagandaseite im Ausland anmelden. (dapd)