Nach dem knappen Ergebnis entscheidet in Polen die Stichwahl über das Amt des Präsidenten

Hamburg/Warschau. Jaroslaw werde immer derjenige sein, der die besseren Strategien wählt, hatte Jadwiga Kaczynska, die Mutter von Jaroslaw und Lech Kaczynski, einmal gesagt. Der Politiker, dem viele Menschen in Polen bisher immer misstraut hatten, kämpft jetzt um den Sieg gegen den liberalkonservativen Favoriten Bronislaw Komorowski. 45 Minuten ist Jaroslaw Kaczynski älter als Lech - und er hat bei der Stichwahl am 4. Juli noch immer Chancen, seinem tödlich verunglückten Zwillingsbruder in das Amt des polnischen Staatsoberhaupts zu folgen. Vor allem auch deshalb, weil Kaczynski im Wahlkampf die bessere Strategie hatte.

Mit 36,7 Prozent aller Stimmen landete er nur gut vier Prozentpunkte hinter seinem Kontrahenten Komorowski, der nach Auszählen fast aller Stimmen auf 41,2 Prozent kam. Da beide eine absolute Mehrheit verpassten, entscheidet jetzt die Stichwahl. "Kaczynski konnte fast das gesamte rechte Spektrum hinter sich bündeln - bis hin zu Wählern der rechtsextremen Parteien", sagt Dieter Bingen, Direktor vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt, dem Abendblatt. "Er könnte damit aber sein Potenzial vor der Stichwahl schon ausgeschöpft haben." Als nationalkonservativen Hitzkopf hatten die Polen Jaroslaw Kaczynski in Erinnerung. Doch nun punktete er nicht mit kühlen Parolen - sondern mit einem moderaten, fast liebevollen Patriotismus.

Viele Polen fragen sich: Ist er das noch? "Auch wenn ihn der Tod seines Bruders geprägt hat, ist Kaczynskis Partei noch genauso ideologisch formiert", sagt Bingen. Seine Mitstreiter gehören noch immer überwiegend zu den konservativen Hardlinern. Kaczynski befürwortet zwar die Zugehörigkeit Polens zur EU, propagiert aber ein "Europa der Vaterländer". Viel hängt jetzt davon ab, welcher der beiden Kandidaten seine Wähler noch einmal für den Urnengang motivieren kann. Mit den moderaten Tönen könnte es nun vorbei sein. Der Warschauer Politologe Rafael Chwedoruk prophezeit "ein kurzes, aber heftiges Wahlkampf-Feuerwerk".

Entscheidend könnten aber nicht nur die Motive der eigenen Anhänger sein, sondern auch die der zwei Millionen Wähler des drittplatzierten Sozialdemokraten Grzegorz Napieralski. Der darf in der Stichwahl nicht mehr antreten. Prompt begann das Buhlen um seine Gunst.

Kaczynski, der noch vor Jahren das Bündnis der demokratischen Linken als postkommunistische Gruppierung verbieten wollte, lobte nun die Vorschläge des linken Politikers für eine Gesundheitsreform. Komorowski bekannte sogar, Napieralskis Ergebnis erfülle ihn mit Stolz. Die polnische Linke sei "absolut notwendiger" Bestandteil der politischen Szene.