Untersuchung weist Soldaten Schuld am Nordirland-Massaker zu

London. Es war das längste und kostspieligste Untersuchungsverfahren der britischen Geschichte. Eingesetzt 1998, hat es zwölf Jahre Bemühen und 195 Millionen Pfund Steuergelder (etwa 225 Millionen Euro) verschlungen, ehe es gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Justizminister Clarke nennt es "ein Desaster an Zeit- und Geldverschwendung". Doch für Nordiren, die noch immer unter dem Trauma der Erinnerung an den Bürgerkrieg leiden, ist jetzt zumindest eine Zäsur erreicht, die eine versöhnlichere Betrachtung der Vergangenheit zulässt.

Der britische Premier David Cameron hat sich gestern im Namen seiner Regierung für die tödlichen Schüsse britischer Soldaten auf Katholiken beim sogenannten Bloody Sunday 1972 in Nordirland entschuldigt. Er bedaure die Rolle der britischen Armee bei der Gewalt vor 38 Jahren zutiefst, sagte Cameron bei der Vorstellung des Berichts.

Darin sind in zehn Bänden von insgesamt 5000 Seiten Länge die Umstände aufgelistet, die im nordirischen Londonderry zur blutigen Konfrontation zwischen katholischen Bürgerrechtlern und britischen Truppen geführt hatten. Dabei war die "Northern Ireland Civil Rights Association" an jenem Tag nur angetreten, gegen die Politik der Internierung von IRA-Sympathisanten zu protestieren. Der nicht genehmigte Marsch in Londonderry (die nordirischen Nationalisten sprechen von "Derry") endete katastrophal: Mit 108 Runden Munition, in 20 Minuten abgefeuert, nahmen die Sicherheitskräfte die meist jugendlichen Demonstranten unter Beschuss, angeblich in Selbstverteidigung gegen bewaffnete Militante. Das glaubte freilich niemand. Die Bilanz des Tages - 13 Tote, 14 Verwundete, ein Opfer erlag später seinen Verletzungen - wurde vielmehr schon bald den Soldaten des eingesetzten Fallschirmregiments und ihrer Überreaktion angelastet.

Doch eine erste Untersuchung entband seinerzeit nach nur vier Wochen die Soldaten von jeder Schuld. Dieses Ergebnis empörte den katholischen Teil der nordirischen Gesellschaft aufs Äußerste. Und so wurde der "Bloody Sunday" zu einer geradezu mythischen Ikone des bewaffneten Aufstands gegen die britischen "Besatzer". Kein Vorgehen der Behörden gegen die aufbegehrenden Katholiken in der Provinz diente so stark als Katalysator für neue Rekruten des Untergrundkampfes wie die Toten des 30. Januar 1972.

Die 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Soldaten im Unrecht waren. "Was am Bloody Sunday geschah, war falsch", sagte Cameron. Die Schüsse seien "nicht zu rechtfertigen" gewesen. Einige Soldaten hätten die "Selbstkontrolle verloren". Am Ende aber trage die Regierung die Verantwortung für das Verhalten ihrer Streitkräfte.