Fünf ehemalige Kommandeure sprachen sich dafür aus. Kritiker fürchten einer Bedrohung der strategischen Partnerschaft mit den USA.

Hamburg/London. Großbritannien steht möglicherweise vor einer dramatischen Veränderung seiner atomaren Militärstrategie. In einem bislang einzigartigen Schritt sprachen sich fünf prominente ehemalige Kommandeure für eine Verschrottung des Trident-Atomraketensystems aus, das seit 1998 das einzige nukleare Waffensystem des Landes ist.

Im Jahre 2007 hatte die damalige britische Regierung beschlossen, das auf U-Booten stationierte Trident-System durch ein moderneres zu ersetzen. Zwar ist das System noch bis etwa 2025 einsatzfähig, doch müsste eine Neubeschaffung wegen der langen Planungs- und Bauphase bereits in diesem Jahr beschlossen werden.

Um diese Neubeschaffung ist ein heftiger politischer Streit entbrannt; die Kosten werden von den Befürwortern auf rund 25 Milliarden Euro, von den Kritikern dagegen auf wenigstens 80 Milliarden beziffert.

In der Londoner "Times" meinten nun Feldmarschall Lord Bramall, General Lord Ramsbotham, General Sir Hugh Beach und Generalmajor Patrick Cordingley, dass ein Ersatz für das Trident-System sowohl die britischen Kampftruppen als auch die Bemühungen um eine weltweite atomare Abrüstung gefährde. Unterstützung fand diese Position bei dem einflussreichen General Lord Guthrie of Craigiebank, einem ehemaligen britischen Generalstabschef. Man solle eine preiswerte Alternative zu den Trident-Raketen erwägen, auch weil Großbritannien nach einer Welt ohne Atomaffen strebe. "Brauchen wir denn wirklich jene wirksamen Waffen, die wir im Kalten Krieg hatten?", fragte der frühere General. Es gebe gute Gründe zu sagen, Großbritannien brauche sie nicht. Lord Guthrie schlug als Alternative nuklear bestückte Raketen vor, die von Land aus oder aus der Luft abgefeuert werden könnten.

Seine vier Kameraden äußerten die Sorge, dass die Frage der Zukunft des Trident-Systems aus der strategischen Bestandsaufnahme der neuen Regierung nach der Parlamentswahl am 6. Mai ausgeklammert werden könnte. Sie warnten, dass es ein erheblicher strategischer Patzer wäre, die Debatte darüber zu unterdrücken oder Alternativen zu verwerfen.

Die vier ehemals führenden Militärs erklärten in der "Times", es gebe einen wachsenden Konsens darüber, dass Einschnitte in die Atomstreitkräfte der Weg "zur Erreichung internationaler Sicherheit" seien. Indem man eine teure Erneuerung des Trident-Systems vorantreibe, behindere man die Abrüstungsinitiative von US-Präsident Barack Obama. Vor allem aber treibt die vier Offiziere die Sorge um, dass, falls man 80 Milliarden Euro ausgebe, kein Geld mehr haben werde für die Kampftruppen, für Terrorabwehr, für Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge oder Fregatten. Lord Bramall, Lord Ramsbotham, Sir Hugh und Cordingley stellten die Kernfrage: "Womit ist der Sicherheit Großbritanniens am besten gedient - wenn wir einfach weitermachen wie bisher, wenn wir unser Atomarsenal reduzieren, unsere Nuklearstrategie anpassen oder unsere Atomwaffen abschaffen?"

Während die Konservativen und Labour bislang noch für die teure Erneuerung sind, hat sich der populäre Parteichef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, dafür ausgesprochen, die Dienstzeit der Trident-Flotte zunächst zu verlängern und inzwischen nach Alternativen zu suchen. Clegg spricht sich für atomare Mittelstreckenraketen auf kleineren, taktischen U-Booten aus.

Kritiker verweisen darauf, dass dies aber die enge strategische Partnerschaft mit den USA bedrohen würde. Der prominente Militärexperte Paul Beaver sagte: "Das ist ein nationales Programm. Es geht um Großbritanniens Platz in der Welt. Es geht vor allem um unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten."

Bei dem Trident-System handelt es sich um dreistufige Feststoffraketen Trident-II-D5, die von den USA gemietet und auf vier britischen Atom-U-Booten des Typs "Vanguard" stationiert sind. Jedes U-Boot trägt 16 ballistische Raketen mit je drei Sprengköpfen à 100 Kilotonnen Sprengkraft. Je nach Zuladung vermögen die je 58 Tonnen schweren Trident-II-Raketen bis zu 12 000 Kilometer weit zu fliegen und auch verbunkerte, gehärtete Ziele zu zerstören. Jeweils eines der vier Boote patrouilliert im Atlantik, während die Übrigen im Hafen von Faslane im Firth of Clyde in Alarmbereitschaft bleiben.