Spaltbares Material soll weltweit besser kontrolliert werden. China nähert sich langsam der internationalen Allianz gegen den Iran an. Kanzlerin nennt Treffen in Washington ersten wichtigen Schritt

Washington. Der Straßenszene in Washingtons lebendigstem Viertel Georgetown würde man nicht ansehen, dass ein paar Blocks weiter eine Art "Gipfel der Angst" stattfindet. In Hotpants, Muscle-Shirts und Ray-Ban-Sonnenbrillen gehen die Leute entspannt ihrer Wege, während gleich um die Ecke ihr Präsident Barack Obama die Führer der Welt zu einem Nukleargipfel zusammengetrommelt hat, weil noch nie so viel "spaltbares Material" herumlag, das jederzeit zu "schmutzigen Bomben" umgebaut werden kann.

Zum Auftakt der Gipfel-Hauptberatungen rief der US-Präsident die Teilnehmer erneut eindringlich dazu auf, konkrete Schritte gegen Nuklearterrorismus zu ergreifen. Er warnte vor einer "Katastrophe für die Welt", wenn es Terroristen gelänge, sich Atommaterial anzueignen. "Heute ist die Gelegenheit da, nicht einfach zu reden, sondern zu handeln", sagte Obama. Sein Berater John Brennan betonte, es gebe "klare Hinweise", dass al-Qaida mehrfach versucht habe, in den Besitz von Nuklearmaterial zu kommen. Die Terror-Organisation arbeite mit internationalen Banden zusammen.

"Dass alle hier herkommen", meint die zusammen mit weiteren 46 Staats- und Regierungschefs angereiste deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), "das zeigt doch, wie wichtig sie das Thema nehmen." Es sei ein erster wichtiger Schritt. Einen Aktionsplan hat man beschlossen, wenn auch einen recht zahnlosen. Das Gefühl ist: Wir haben nicht viel Zeit. Weder hoch angereichertes Uran (HEU) noch Plutonium soll in die Hände von Terroristen geraten. Vom HEU sind weltweit 1500 Tonnen verfügbar, hinzu kommen 600 Tonnen Plutonium.

Jenseits der Kernwaffenarsenale engagieren sich die Deutschen vor allem in Sachen Alltagsgefahren, auch aus der zivilen Nutzung. "Die Übersichtlichkeit des Kalten Krieges ist vorbei, heute haben wir es mit asymmetrischen Kriegen, auch gegen Gruppen wie al-Qaida zu tun, in denen Abschreckung nur noch begrenzt hilft", meinte die Kanzlerin. Überall entstehen neue Kernreaktoren. In Medizin und Forschung, in Fabriken und Unternehmen liegt immer mehr radioaktives Material, im Internet werden immer einfachere Lösungen dafür geboten, wie man aus diesem Material ohne großes Know-how maximalen Schaden anrichten kann - und sei es "nur" der massive wirtschaftliche Schaden, der entsteht, wenn Börsenkurse als Reaktion auf einen Anschlag in die Knie gehen. Merkel will juristische Mittel schaffen, um Staaten zu belangen, die derartige Materialien weiterverbreiten. Eine Ausweitung der Befugnisse des Internationalen Gerichtshofes sei dazu ebenso wünschenswert wie zusätzliche Kompetenzen für die Internationale Atomenergiebehörde IAEA oder für die Uno. Die Deutschen haben für nukleares Material in der Bundesrepublik ein Zentralregister entwickelt, das zum Modell werden soll.

Gestern Abend verständigten sich die Gipfelteilnehmer auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Sicherung von Atomwaffen und spaltbarem Material. In einer - unverbindlichen - Absichtserklärung vereinbarten sie eine verstärkte Zusammenarbeit bei der sicheren Lagerung und verschärfte Strafmaßnahmen gegen Atomschmuggler. Zudem sollen Kernreaktoren möglichst mit schwach angereichertem und nicht mit hoch angereichertem waffentauglichen Uran betrieben werden.

Schon kurz nach Beginn des Gipfels hatte der Obama-Sprecher den ersten Durchbruch verkündet. Die Ukraine werde ihre kompletten Vorräte an hoch angereichertem Uran abbauen, sagte Robert Gibbs. Die USA hätten für diesen Schritt seit zehn Jahren geworben. Sie wollen nun, gemeinsam mit Russland, den Ukrainern helfen, die für Atomwaffen nutzbaren Bestände binnen zwei Jahren unschädlich zu machen. Die Ukraine verfügt über 100 Kilogramm hoch angereichertes Uran aus ihren zivilen Forschungsreaktoren, und das reiche, "um mehrere Nuklearwaffen zu machen", so Gibbs.

Eine zweite Einigung wurde ebenfalls verkündet. Der chinesische Präsident Hu Jintao traf Obama, und nach den anderthalb Stunden ihres Gesprächs sagte Jeff Bader, der Leiter der Asienabteilung des Nationalen Sicherheitsrates (NSC), die beiden Präsidenten wollten ihre Delegationen instruieren, Sanktionen gegen den Iran auszuarbeiten. Der Iran erklärte indessen, an seinen Nuklearprojekten werde auch der Gipfel in Washington nichts ändern.