USA und Russland verkleinern ihr Raketenarsenal. Moskau hat eine Ausstiegsoption aus dem neuen Abkommen, falls die Amerikaner ihren geplanten Raketenschild in Europa gen Osten ausbauen.

Hamburg/Prag. Als sie nach den historischen Unterschriften beim Mittagessen saßen, hob US-Präsident Barack Obama sein Glas in Richtung seines russischen Kollegen Dmitri Medwedew: "Dmitri, wir haben gelernt zusammenzuarbeiten."

Die Unterschriften unter das neue START-Abkommen über atomare Langstreckenwaffen markieren auch einen weiteren Meilenstein in der Beziehung des Weißen Hauses zum Kreml. Zwar flog Medwedew schon am Nachmittag wieder gen Russland, um heute den Bau der neuen Ostseepipeline offiziell zu starten. Doch Medwedew wie Obama haben im Gepäck aus Prag weitere Hausaufgaben für die nächsten Abrüstungsschritte sowie neue Initiativen gegen die aufstrebende Atommacht Iran.

Medwedew forderte die Führung in Teheran mit Nachdruck zur Zusammenarbeit auf. "Teheran reagiert leider nicht auf eine Menge angebotener Kompromisse. Sanktionen führen zwar selten zu Ergebnissen, aber manchmal geht es nicht ohne sie." Obama drohte dem Iran erneut mit "starken Sanktionen".

Medwedew und Obama vereinbarten in der Prager Burg, über die umstrittene US-Raketenabwehr in Europa im Gespräch zu bleiben. Obama hat das Projekt seines Vorgängers George W. Bush verzögert und verändert. Die Präsidenten wollen außerdem die Diskussion über den Abbau taktischer Nuklearwaffen weiterführen. Davon wäre auch Deutschland betroffen. Denn noch lagern in der Eifel US-Atomsprengkörper.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) würdigte den Vertrag als "Meilenstein für die weltweiten Abrüstungsbemühungen". "Es zeigt die Bereitschaft der beiden größten Atommächte, ihrer Verantwortung bei der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle gerecht zu werden." Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einer "sehr willkommenen und großartigen" Initiative. Er hoffe, dass dies auch Auswirkungen auf kommende Treffen wie die Überprüfungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag im Mai in New York habe.

"Nach diesen sicher nicht leichten Verhandlungen gibt es keinen Sieger und keinen Verlierer", sagte Medwedew. "Der Erfolg gehört beiden Ländern und mit ihnen der ganzen Welt." Medwedew sprach von einem "historischen Vertrag".

Für Friedensnobelpreisträger Obama war die Unterschrift im Spanischen Saal des Amtssitzes von Tschechiens Präsidenten Vaclav Klaus der erste große Schritt zu einer Vision, die er vor einem Jahr in Prag hatte: eine atomwaffenfreie Welt. Obama sagte: "Dies ist ein langfristiges Ziel, ein Ziel, das vielleicht nicht einmal in meinem Leben erreicht wird." Russland und die USA, die zusammen über 90 Prozent der Atomwaffen in der Welt besitzen, müssten in Sachen Abrüstung eine "globale Führungsrolle" übernehmen. Der neue START-Abschluss sei ein Meilenstein und mache die Welt sicherer. Zugleich sei er aber nur "ein Schritt auf einer längeren Reise".

Das neue Abkommen verpflichtet beide Länder dazu, die Zahl der nuklearen Sprengköpfe innerhalb der nächsten sieben Jahre von je 2200 auf 1550 zu reduzieren. Die Zahl der Trägersysteme wird auf je 800 halbiert. Wegen der russischen Bedenken gegen den geplanten US-Raketenschild hatte sich der neue Vertrag verzögert. Deshalb sehen die Bestimmungen auch eine Art "Ausstiegsoption" für Moskau vor, falls man die Raketenabwehr als eine Gefahr empfinden sollte.

Obama sagte, die Raketenabwehr sei nicht gegen Russland gerichtet, sondern solle die USA vor möglichen Angriffen aus anderen Ländern schützen. Medwedew drohte, die Ausstiegsklausel im Zweifelsfall zu nutzen, zeigte sich aber zuversichtlich. "Ich bin, wie mein amerikanischer Kollege, Optimist, und ich denke, dass wir uns in dieser Frage einigen können." Es sei hilfreich gewesen, dass Obama Pläne gestrichen habe, die Abwehr in Polen und Tschechien aufzubauen. "Dies hat sehr zum Fortschritt beigetragen."