Ulrich Delius ist Experte für Afrika und Asien - dort, wo Christen um ihr Leben fürchten.

Hamburg. Konvertiten leiden besonders unter Repressalien. In den Augen der Fundamentalisten begehen sie Hochverrat, sagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Hamburger Abendblatt: Was sind die Ursachen für die starke Verfolgung von Christen?

Ulrich Delius: Oft geht es gar nicht um den Glauben, sondern um die Sicherung der politischen Macht, wirtschaftlichen Neid, soziale Probleme. So wird Religion instrumentalisiert, um unliebsame Minderheiten auszugrenzen.

Was unterscheidet die Verfolgung von Christen in der Welt von der Hetze gegen andere Religionen?

Delius: Als Hochreligion wird das Christentum oft außerhalb Europas mit der westlichen Welt gleichgesetzt und deshalb viel kritisiert. Doch die lebendigsten christlichen Kirchen gibt es nicht in Europa, sondern besonders in Afrika. Ein Problem ist auch der Missbrauch von Religion. So versuchen einige islamische Regierungen, mit Kritik an Christen im Volk Rückhalt zu gewinnen.

Was bedeutet es für einen Menschen, religiös verfolgt zu sein?

Delius: Regelmäßig werden in Pakistan Christen wegen vermeintlicher Gotteslästerung zu Haftstrafen verurteilt. Wegen des Drucks der öffentlichen Meinung wagen viele Richter nicht mehr, Christen trotz offenkundig falscher Anklagen freizusprechen. Selbst bei einem Freispruch bleibt den Christen nur noch die Flucht aus ihrem Heimatort. Besonders schlimm ist die Lage von Konvertiten, sowohl in muslimischen als auch in hinduistischen Gesellschaften. Diese Andersgläubigen, die zum Christentum übergetreten sind, müssen um ihr Leben fürchten.

In vielen Fällen sind die Verfolger radikale Muslime. Warum?

Delius: Die Verfolgung durch Muslime ist nur eine Facette. In China im Untergrund lebende Katholiken und Mitglieder protestantischer Hauskirchen sind die größten verfolgten christlichen Gemeinschaften. Bedroht werden sie von einem atheistischen Regime. Auch die buddhistische Diktatur in Burma verfolgt christliche Angehörige der Karen.

Welche Rolle hat die Kirche in Ländern, in denen Fundamentalisten auf Christen Jagd machen?

Delius: Sie stehen vor der schwierigen Entscheidung, ob sie die Verfolgung öffentlich machen oder dazu schweigen sollen, um die Konflikte nicht noch mehr anzuheizen. Nicht immer zeigen die Kirchen so viel Mut wie in Indien. Als dort 2008 Pogrome an Christen verübt wurden, forderten sie ihre Gläubigen auf, alle Übergriffe bei der Polizei anzuzeigen. Sie stellten Rechtsanwälte zur Verfügung, um bedrängte Christen zu unterstützen. Denn Indiens Behörden versuchen bis heute die Gewalt zu verharmlosen.