Drei deutsche Soldaten sterben im Gefecht nahe Kundus, acht weitere werden verletzt. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) fordert Ende des Einsatzes.

Hamburg. Schon im Vorfeld der Bundestagswahl im vergangenen Herbst war mit verstärkten Angriffen der Taliban auf Bundeswehrsoldaten gerechnet worden. Den Islamisten ist die ablehnende Haltung einer Mehrheit der Deutschen dem Afghanistan-Einsatz ihrer Soldaten gegenüber nicht verborgen geblieben. Spätestens seit dem verhängnisvollen Bombardement von Kundus am 4. September sinnen sie auf Rache und greifen immer öfter Bundeswehrsoldaten an.

Bei dem Überfall am Karfreitag wurden die deutschen Soldaten nach Darstellung des Isaf-Kommandeurs für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger, beim Minenräumen von mehr als 100 Aufständischen angegriffen. Die Bundeswehr war im Laufe des mehrstündigen Gefechts rund sechs Kilometer westlich von Kundus mit mehreren Kompanien im Einsatz. Zu einer Kompanie gehören etwa 150 Soldaten. Die Truppe wurde aus der Luft unterstützt, laut Leidenberger wurden aber keine Bomben abgeworfen. Die Toten und insgesamt acht Verletzten wurden geborgen und mit Hubschraubern in die deutschen Lager Kundus und Masar-i-Scharif gebracht. Zwei der Verletzten wurden noch am Abend operiert.

Die deutschen Kräfte befanden sich am späten Karfreitagabend weiterhin im Einsatz. Eine Fortsetzung der Gefechte war nicht ausgeschlossen. "Wir betrachten den Vorgang noch nicht als abgeschlossen", sagte ein Bundeswehrsprecher. Die Kämpfe hatten nach Auskunft des Polizeichefs von Kundus, General Abdul Rasak Jakubi, begonnen, als eine Mine unter einem gepanzerten Dingo der Bundeswehr explodierte. Die Deutschen hätten den Bau einer Brücke und eine Minenräumung vorbereitet.

Mit den drei Toten vom Karfreitag erhöht sich die Zahl der in Afghanistan seit Beginn des Einsatzes 2002 gestorbenen deutschen Soldaten auf 39. Auch der Norden des Landes ist damit endgültig zum Kriegsschauplatz geworden. Im Norden Afghanistans sind derzeit etwa 4500 deutsche Soldaten stationiert.

Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) hielt sich in Nordafghanistan auf und erfuhr im Hauptquartier des Regionalkommandos Nord in Masar-i-Scharif von den Todesopfern.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Ende Januar vor der jüngsten Aufstockung des deutschen Kontingents auf bis zu 5350 Soldaten die deutsche Bevölkerung auf weitere Opfer eingestimmt. "Ja, der Einsatz fordert Menschenleben", sagte sie im Bundestag. Die internationale Gemeinschaft habe in Afghanistan eine Bewährungsprobe zu bestehen. Dabei gehe es um den Kampf gegen den Terror, die internationale Sicherheit und auch die Verteidigung der Menschenrechte.

Noch vor den jüngsten Gefechten bei Kundus nannte Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) die jahrelange Bewertung des Afghanistan-Einsatzes als Friedens- und Stabilisierungsmission eine "Lebenslüge" der Politik. In einer ZDF-Dokumentation, die vor den Gefechten in Nordafghanistan mit drei getöteten deutschen Soldaten abgeschlossen war und in der nächsten Woche ausgestrahlt wird, sagt Rühe: "Es ist ein zentrales Versagen - in diesem Fall der Großen Koalition - gewesen, dass man nicht die Wahrheit gesagt hat über den Einsatz. Jetzt ist der Krieg in den Norden gekommen, und deswegen ist diese Schönwetterstrategie und diese Lebenslüge in sich zusammengebrochen." Rühe fordert: "Das Abenteuer Afghanistan muss beendet werden."

Der Verteidigungsminister in der Großen Koalition, Peter Struck (SPD), räumt in dem Bericht ein: "Ich denke schon, dass wir am Anfang die Brisanz unterschätzt haben." Und weiter: "Dass das wirklich ein militärischer Kampfeinsatz ist, haben wir am Anfang nicht gesagt." Struck hatte 2004 gesagt: "Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt."