Die Vereinbarung über Abrüstung mit Russlands Präsidenten Medwedew ist Obamas bislang größter außenpolitischer Erfolg.

Hamburg/Washington. Jahrelang hatten die beiden stärksten Atommächte der Erde miteinander verhandelt, hatten um Details und Zahlen gerungen. Am Freitag endlich konnten die Regierungen der USA und Russlands verkünden, dass sie sich auf ein Abkommen zur Reduzierung strategischer Offensivwaffen geeinigt haben.

Mit diesem Nachfolgeabkommen des Start-Vertrages von 1991 - eines Meilensteins bei der Beendigung des kalten Krieges - soll die Bedrohung durch Atomwaffen verringert werden.

"Nach Jahren der Verhandlungen haben die USA und Russland den umfassendsten Abrüstungsvertrag in nahezu zwei Jahrzehnten beschlossen", sagte US-Präsident Barack Obama in Washington. "Mit diesem Abkommen senden die USA und Russland ein klares Signal, dass sie führen wollen." Obama fügte hinzu, damit ließen die einstigen Gegner des Kalten Krieges "das Erbe des 20. Jahrhunderts hinter sich". Zuvor hatte Obama in einem Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew noch letzte Einzelheiten geklärt. Dessen Sprecherin Natalia Timakowa sagte in Moskau, das Abkommen spiegele das Gleichgewicht der Interessen beider Staaten wider. Es soll am 8. April in der tschechischen Hauptstadt Prag unterzeichnet werden. "Wenn die USA und Russland effektiv zusammenarbeiten können, ist das im Interesse beider Staaten und der Sicherheit weltweit", sagte der US-Präsident.

Das Abkommen sieht die Reduzierung der Zahl nuklearer Sprengköpfe auf beiden Seiten von jeweils 2200 auf 1550 vor. Das sind etwa 30 Prozent weniger. Zudem sollen die Trägersysteme auf jeweils 800 halbiert werden. Das Abkommen ist zunächst auf zehn Jahre Gültigkeit ausgelegt und muss noch von den Parlamenten beider Staaten ratifiziert werden, bevor es in Kraft tritt. Im Start-Abkommen von 1991 hatten sich beide Seiten noch auf ein Limit von jeweils 6000 Sprengköpfen für Langstreckenraketen geeinigt.

Unabhängige Rüstungsexperten in Washington werteten das neue Abkommen übereinstimmend als Erfolg für den US-Präsidenten. Der Fachmann Max Bergmann vom Center for American Progress bezeichnet die Vereinbarung als "historische Leistung, welche die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten stärken wird". Das Abkommen sei ein "greifbarer Erfolg" für Obamas Außenpolitik.

Hinter Obamas Bemühungen steht eine strategische Neuorientierung. Die Doktrin der gegenseitigen atomaren Abschreckung stammt noch aus der Zeit des Kalten Kriegs. Heute geht es nicht mehr um ideologische Systemkonfrontation. US-Außenministerin Hillary Clinton benannte die "beiden größten Bedrohungen unserer Zeit": zum einen den Terrorismus, zum anderen die Gefahr atomarer Aufrüstung durch instabile oder aggressive Länder wie etwa Iran oder Nordkorea. Dafür "brauchen wir nicht so große Arsenale".

Den größten Wert des neuen Abkommens sehen Experten denn auch nicht allein in der Annäherung zwischen Moskau und Washington, sondern in der weltweiten Signalwirkung. Der Atomwaffen-Experte Jeffrey Lewis sagt: "Das Abkommen zeigt, dass Rüstungskontrolle immer noch möglich ist." Das START-Nachfolgeabkommen sei das komplexteste Verhandlungswerk der US-Diplomatie seit einem Jahrzehnt.

Derweil forderte der Bundestag in Berlin mit großer Mehrheit einen Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland. Dabei handelt es sich um zehn bis 20 taktische Sprengköpfe, die auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagern sollen. Während des Kalten Krieges sollen es 150 Sprengköpfe gewesen sein. Mit Ausnahme der Linken forderten alle Fraktionen des Bundestages in einem gemeinsamen Antrag, die Bundesregierung solle sich bei der Nato und der US-Regierung "mit Nachdruck" für den Abzug einsetzen. Die Linke stimmte nicht zu, weil sie nicht in die Beratungen über die Entschließung einbezogen war. Der Linken-Abgeordnete Jan van Aken sprach von einem "parteipolitischen Schmierentheater". Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, die "Relikte des kalten Krieges" hätten keinen militärischen Sinn mehr. Die Abrüstung sei eine "Überlebensfrage" und "die große Menschheitsherausforderung". Mit seiner Entschließung will der Bundestag die Initiative Obamasfür eine atomwaffenfreie Welt unterstützen.