Nach langem Gezerre gibt es endlich eine Einigung der EU-Länder. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Gipfelergebnis.

Brüssel. Was haben die 16 Euro-Länder verabredet?

Sie haben einen Notfallplan für hoch verschuldete Euro-Länder verabschiedet, die vom Staatsbankrott bedroht sind. Es ist kein spezieller Rettungsplan für das hoch verschuldete Griechenland. Das Land würde im Ernstfall aber zuerst von den neuen Regelungen betroffen sein. Wichtig: Es fließt jetzt noch kein einziger Cent nach Athen, sondern erst dann, wenn Griechenlands "Finanzierung über den Markt nicht ausreicht".

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Was müsste Deutschland im Ernstfall zahlen?

Nach internen EU-Schätzungen könnte Griechenland zwischen 22 und 25 Milliarden Euro an Krediten benötigen. Deutschland müsste in diesem Fall knapp fünf Milliarden Euro bezahlen. Die Bundesregierung erwartet allerdings nicht, dass der Notfall eintreten wird.

Warum hat die EU so lange über einen Rettungsplan gestritten?

Ziel eines Nothilfsplans ist, aus Sicht der EU zu zeigen: Wir lassen Griechenland und andere Euro-Länder in Not nicht fallen und haben einen konkreten Plan in der Tasche. Dies soll die Märkte beruhigen, Spekulationen verhindern und im Falle Griechenlands dafür sorgen, dass die Zinskosten für griechische Staatspapiere sinken. Denn je mehr Athen für frisches Geld am Kapitalmarkt bezahlen muss, desto schwieriger wird es, die Sparauflagen der EU von 4,8 Milliarden Euro in diesem Jahr zu erfüllen. Nach Veröffentlichung des Rettungsplanes sanken die Risikoaufschläge leicht, die Kosten für die Versicherung griechischer Staatsanleihen gegen Zahlungsausfall gingen ebenfalls zurück.

Wie soll die Brüsseler Einigung in der Praxis funktionieren?

Wenn sich ein Euro-Land am Kapitalmarkt nicht mehr ausreichend finanzieren kann, erhält das Land als "ultima ratio" Finanzhilfen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und bilaterale Kredite der Euro-Staaten. Die Hauptlast dieses "Pakets" tragen jedoch die Europäer. Die Kredite müssen von allen 16 Euro-Ländern einstimmig genehmigt werden - Deutschland hat damit ein Vetorecht. Grundlage für die Entscheidung der Euro-Zone soll eine Bewertung durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission sein. Ganz wichtig: Die Zinssätze für die Kredite von IWF und Euro-Ländern an die Länder in Not sollen nicht niedriger sein als die normalen Marktzinsen und damit "kein Subventionselement" enthalten. Athen hatte bis zuletzt auf Sonderkonditionen gehofft.

Wo liegen die Schwachpunkte?

Kernproblem des Notfallplans ist, dass er nicht genau definiert, wann ein Land Hilfe benötigt. Dies ist laut Erklärung der Fall, wenn "die Finanzierung über den Markt nicht ausreicht". Aber wann ist dieser Zeitpunkt gekommen? Wenn niemand mehr die Staatspapiere eines Landes kaufen will, wie Kanzlerin Angela Merkel meint? Oder tritt der Notfall schon dann ein, wenn die Risikoaufschläge so hoch sind, dass sie eine schwere Belastung für das betreffende Land darstellen - das glaubt Athen. Offen ist auch, was passiert, wenn der IWF seine Hilfszahlungen wegen Verletzung der Sparauflagen durch das betreffende Land aussetzt, die Europäer aber weiterhin Kredite vergeben wollen. Unklar ist zudem, wie die vereinbarte "enge Koordinierung der Wirtschaftspolitiken in Europa" aussehen soll.

Warum hat Merkel auf einer Beteiligung des IWF bestanden?

Sie fürchtete vor allem, dass eine rein europäische Lösung gegen das so genannte Nichtbeistandsgebot ("No bailout") der Euro-Länder verstoßen hätte und damit vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft worden wäre. Außerdem sinken die Rettungskosten für Deutschland, wenn der IWF mit im Boot ist.

Ist die Kanzlerin die große Gewinnerin beim EU-Gipfel?

Ja und Nein. Merkel wollte eigentlich keinen konkreten Notfallplan, sondern nur eine allgemeine Erklärung, dass die EU im Ernstfall hilft. Mit dieser Haltung konnte sie sich nicht durchsetzen. Das bedeutet, dass Berlin im Notfall zahlen muss - wobei offen ist, ob die Kosten für Deutschland ohne einen Notfallmechanismus und im Falle einer Staatspleite von Griechenland nicht noch höher wären. Außerdem ist Merkels Forderung, chronische Schuldensünder aus der Eurozone rauswerfen zu können, vom Tisch - Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Großbritanniens Regierungschef Gordon Brown bügelten die Kanzlerin eiskalt ab. Sie konnte aber verhindern, dass die Europäer schnelle Hilfen für Griechenland zusichern - das wäre für Deutschland als größtem EU-Land sehr teuer geworden. Außerdem konnte die Kanzlerin harte Bedingungen und hohe Hürden für Hilfen erreichen. Die Einbeziehung des IWF war zudem ihre Idee, die Partnerländer stimmten dem letztlich zähneknirschend zu.

Gibt es auch Verlierer?

Der größte Verlierer ist Griechenland. Das Land hatte gehofft, viel einfacher an Kredite zu kommen. Auch die EZB gehört zu den Verlierern. Sollten nämlich ein oder sogar mehrere Euro-Länder IWF-Hilfen benötigen, kann der Währungsfonds indirekt über die europäische Geldpolitik mitentscheiden. Frankreich, Spanien, Luxemburg und die EU-Kommission wiederum hatten letztlich zwar mit ihrer Forderung nach einem Rettungsplan Erfolg - aber der Plan sieht jetzt ganz anders aus, als sie sich das vorgestellt hatten: Sie wollten eine Beteiligung des IWF unbedingt verhindern und eine rein europäische Lösung.

Wie kam die Einigung zustande?

Paris und Berlin, die größten Kontrahenten im Griechenland-Poker, einigten sich kurz vor dem Gipfel auf ein gemeinsames Papier. Dieser Alleingang kam nicht gut an. Beim Abendessen schimpften vor allem Brown und Donald Tusk (Polen) über die Vereinbarung zur europäischen Wirtschaftsregierung.