Demonstranten dringen in US-Kongress vor. Präsident Barack Obama einigt sich mit Abtreibungsgegnern. Ergebnis wird am Abend erwartet.

Washington. Begleitet von tumultartigen Szenen im US-Kongress hat das Repräsentantenhaus die entscheidende Runde im Kampf um die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama eingeläutet. Während sich die Abgeordneten am Sonntag im Kapitol einfanden, drangen zahlreiche Gegner in das Gebäude ein und machten ihrem Unmut über Obamas wichtigstes innenpolitisches Vorhaben lauthals Luft. Auch rund um den Sitz des Kongresses in Washington versammelten sich zahlreiche Demonstranten, die „kill the bill“ („Tötet das Gesetz„) skandierten.

Während die Abgeordneten das formelle Verfahren zur Abstimmung aufnahmen, kam Obama hinter den Kulissen damit voran, Zweifler in den eigenen Reihen zu bekehren. So erklärte der Abgeordnete Bart Stupak am späten Nachmittag schließlich doch noch, er habe sich mit Obama geeinigt, nachdem das Präsidialamt erklärte, staatliche Gelder für Abtreibungen weiterhin nicht freizugeben. Ob damit die Mehrheit von mindestens 216 Stimmen stand, war jedoch weiter offen. Der Mehrheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, hatte kurz zuvor eingeräumt, einige wenige Stimmen fehlten noch. Mit einem Ergebnis der Abstimmung wurde am Abend (Ortszeit) gerechnet.

Durch den tiefgreifenden Umbau des 2,5 Billionen Dollar teuren Gesundheitswesens sollen 32 Millionen weitere Amerikaner eine Krankenversicherung erhalten, die bisher keinen Schutz haben. Außerdem sollen eine allgemeine Versicherungspflicht eingeführt und bestimmte Praktiken der Versicherer verboten werden, etwa die Ablehnung von Kunden wegen bestehender Vorerkrankungen. Die Quote der Versicherten soll auf 95 Prozent steigen.

Die Republikaner waren gegen das Vorhaben geschlossen Sturm gelaufen, da sie steigende Kosten und eine schlechtere Versorgung für diejenigen erwarten, die bereits versichert sind. Aber auch mehrere Demokraten zeigten sich von dem Entwurf, der zur Abstimmung vorlag, nicht überzeugt. Sie befürchteten, bei einem „Ja“ zu der umstrittenen Reform bei den Kongresswahlen im November abgestraft zu werden.

Die Republikaner kündigten bereits an, das Thema in den Zentrum des Wahlkampfs zu rücken. Die Bevölkerung ist in der Debatte gespalten, Obamas Beliebtheitswerte waren im Zuge der Zankereien auf um die 50 Prozent gefallen. Einen Denkzettel bekam die Regierungspartei jüngst bei der Senats-Nachwahl in Massachusetts verpasst, als sie ihren Sitz an den Herausforderer der Republikaner verlor, weil dieser die Gegner der Reform für sich mobilisieren konnte.

Da Obama dadurch nicht mehr über ausreichend Stimmen im Senat verfügt, um den eigentlich üblichen Gesetzesweg erfolgreich einzuschlagen, griff er mit der Abstimmungsvariante am Sonntag auf einen Verfassungskniff zurück. Dazu mussten die Abgeordneten im Repräsentantenhaus zunächst über eine vom Senat bereits angenommene Reformvorlage abstimmen. Da diese in mehreren Punkten auf Widerstand auch in den Reihen der Demokraten stößt, wurde zusätzlich über ein Paket mit Änderungen befunden.

Dieses wiederum muss dann im Falle eines erfolgreichen Votums noch an den Senat gehen, der darüber voraussichtlich in den kommenden Tagen abstimmen würde. Da es sich um budgetäre Änderungen handelt, reicht den Demokraten im Senat dann aber die einfach Mehrheit von 51 Stimmen, über die sie trotz der Niederlage in Massachusetts immer noch verfügen.