Chile. "Fuerza Chile" - "Hab Mut, Chile" - ist mit Kreide auf Autos geschrieben. Die Parole ist auf T-Shirts gedruckt und wird im Fernsehen immer wieder beschworen. Chiles Flagge weht an jedem Haus als Symbol des nationalen Zusammenhalts. Tausende Freiwillige helfen den Opfern direkt vor Ort oder sammeln Spenden. Nach einer Woche Chaos und kollektivem Schock versucht das Land, die Hoffnung wieder einkehren zu lassen.

Die Schäden werden auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Präsidentin Michelle Bachelet vermutet, dass es mindestens drei Jahre dauern wird, um sich von den Folgen des Bebens zu erholen. Die Regierung des neu gewählten Präsidenten, des konservativen Sebastián Piñera, der am Donnerstag das Amt übernimmt, nennt sich selbst "Regierung des Wiederaufbaus".

Für Tausende wird das Leben nie wieder so sein, wie es war. Zu tief sind die Spuren der Angst vor Nachbeben, aber auch vor der Gewalt der eigenen Nachbarn. Plünderungen gehörten zum schrecklichen Alltag. "Ja, ich habe aus Hunger und Verzweiflung geplündert", geben viele Bürger in Concepción zu. Die Polizei findet bei Razzien allerdings auch häufig noch eingepackte Fernseher, Waschmaschinen und hochprozentigen Alkohol. Dass die Lage so eskalieren würde, hätte sich vor dem Beben niemand vorstellen können. Die Einwohner des Musterlandes Chile sind enttäuscht - von sich selbst und der Regierung. Eine Tsunami-Warnung aus den USA war nicht ernst genommen worden. Das hatte Hunderte von Menschenleben gekostet. Der Direktor des Ozeanografischen Instituts, Mariano Rojas, der als Verantwortlicher gilt, wurde entlassen. Präsidentin Michelle Bachelet habe die Truppen zu spät in das Katastrophengebiet geschickt, sagen die Konservativen. Sie habe sich davor gescheut, die Kontrolle dem Militär zu überlassen. Immer noch patrouillieren mehr als 7000 Soldaten in den Straßen von Talca und Concepción. Das Ausgehverbot - jahrelang Symbol der Unterdrückung durch die Diktatur Pinochets - gilt in Concepción noch immer. Es wurde zum ersten Mal in der Demokratie verhängt. Ein schmerzhafter Tabubruch für die Sozialistin Bachelet, die sich während ihrer Amtszeit für die individuellen Freiheiten stark gemacht hatte.

Das Ziel, im Jahr des "Bicentenario" (200 Jahre Unabhängigkeit) in den Klub der Erstweltländer einzutreten, wurde bereits aufgegeben. Normalität wäre in den nächsten Jahren schon ein grandioser Erfolg.