Die USA hoffen darauf, dass es nicht zum Gewaltausbruch kommt - nur dann könnten sie ihre Truppen abziehen.

Hamburg/Bagdad. Perfider geht es kaum noch. Als Verletzter getarnt, ließ sich ein Selbstmordattentäter per Rettungswagen in die Notaufnahme des Zentralkrankenhauses der irakischen Stadt Bakuba einliefern. Als der Polizeichef der Provinz Dijala, Abdel Hussein al-Schommari, in das Hospital eilte, um Opfer von zwei kurz vorher erfolgten Bombenanschlägen in der Innenstadt zu besuchen, zündete der Terrorist seinen in einer Weste verborgenen Sprengsatz. Zehn Polizisten starben, al-Schommari blieb unverletzt. Der Dreifachanschlag von Bakuba kostete mindestens 35 Menschen das Leben, 58 wurden verletzt, unter ihnen auch der Direktor des Zentralkrankenhauses. Unweit der Klinik konnten Sicherheitskräfte eine vierte Bombe kontrolliert sprengen.

Es bedarf keines besonders scharfen analytischen Verstandes, um das eigentliche Ziel der Anschläge auszumachen: die Parlamentswahlen am Sonntag. "Die Terroristen wollten Verwirrung stiften und die Iraker an der Wahl hindern", sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Mehr als 19 Millionen Iraker sind zu diesem Urnengang aufgerufen - der erst zweiten Parlamentswahl seit dem Sturz des Tyrannen Saddam Hussein im April 2003.

Um die 325 Sitze im Parlament zu Bagdad bewerben sich rund 6100 Kandidaten, von denen sich viele in fast 300 Parteien und in einer kaum überschaubaren Zahl an Bündnissen zusammengeschlossen haben. Maliki dürfte völlig recht haben mit seiner Einschätzung, dass diese Wahlen "eine große Gefahr" für die Terroristen darstellten, dass sie die Stimmabgabe deshalb unbedingt "torpedieren" wollen.

Noch immer schwebt der Irak zwischen Chaos und Konsolidierung, müssen fast 100 000 amerikanische Soldaten eine relative Ruhe und Stabilität erzwingen. Doch es gibt immer mehr Anzeichen für eine allmähliche wirtschaftliche und politische Konsolidierung. Die Stadt Bakuba, rund 60 Kilometer nördlich von Bagdad gelegen, war früher eine Hochburg des Widerstands gegen die US-Truppen. Doch die Lage hatte sich in den letzten beiden Jahren deutlich beruhigt.

Für die Terrorgruppe al-Qaida im Irak und ihre Gesinnungsgenossen von Ansar al-Sunna sind dies keine guten Nachrichten. Terror, namentlich auch islamistischer, gedeiht in Anarchie, Armut und Verzweiflung. Mitte Februar hatte der Al-Qaida-Statthalter in Mesopotamien, Abu Omar al-Baghdadi, angekündigt, die Parlamentswahl vor allem mit "militärischen Mitteln" bekämpfen zu wollen.

Dem irakischen Geheimdienst liegen laut Medienberichten Informationen vor, nach denen die Terroristen für den Sonntag Anschläge planen.

Noch immer ist politisch motivierte Gewalt ein alltägliches Phänomen im Zweistromland; nach Statistiken der irakischen Behörden kamen im Februar 352 Menschen dabei ums Leben - eine Zunahme um 80 Prozent gegenüber dem Januar.

Der Schiit Nuri al-Maliki, der einst als schwacher Kompromisskandidat galt, hat seine Macht in erstaunlichem Maße seit seinem Amtsantritt 2006 festigen können. Er tritt mit einem Bündnis verschiedener Parteien an; dessen generelle Ausrichtung ist säkular und nationalistisch.

Beobachter halten es aber für wenig wahrscheinlich, dass er oder einer seiner Konkurrenten sich bei den Wahlen mit klaren Mehrheiten durchsetzen können. Dann könnten sich Koalitionsverhandlungen über Wochen oder gar Monate hinziehen. Vor allem die USA befürchten eine Wiederholung der chaotischen Situation nach der Parlamentswahl 2005. Das Machtvakuum nach einem unklaren Wahlausgang führte zu einem Aufflammen der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Islamisten und den alten Seilschaften der Armee und der inzwischen verbotenen Baath-Partei von Saddam Hussein. Inzwischen haben viele irakische Politiker gelernt und betonen nicht mehr wie früher die sunnitische oder schiitische Zugehörigkeit, sondern präsentieren teilweise gemischte Bündnisse und empfehlen sich als Vertreter aller Iraker.

US-Präsident Barack Obama hatte im Januar vollmundig versprochen: "Wir werden bis Ende August alle unsere Kampftruppen aus dem Irak abgezogen haben." Von derzeit gut 96 000 US-Soldaten sollen dann noch 50 000 eine Weile bleiben, aber bis Ende 2011 sollen auch die letzten GIs wieder zu Hause sein.

Eine Eruption der Gewalt nach einem unklaren Wahlausgang könnte diese Pläne durchkreuzen. Der US-Kommandeur im Irak, General Ray Odierno, hat für diesen Fall einen "Plan B" in der Schublade. Er sieht einen deutlich langsameren Abzug der Amerikaner vor.