Europas Abgeordnete widersetzen sich Druck aus Washington. Ohne Zustimmung der Parlamentarier kann die EU-Kommission jetzt keinen neuen Vertrag ausarbeiten.

Brüssel. Schon lange ist einer Abstimmung im Europäischen Parlament nicht mit so viel Spannung entgegengeblickt worden. Gestern Mittag mussten die Abgeordneten in Straßburg darüber entscheiden, ob sie den Vertrag über den Austausch von Bankdaten mit der US-Regierung, das sogenannte Swift-Abkommen, unterstützen. Niemand hatte vor dem Votum eine Prognose gewagt. Doch dann fiel das Resultat überraschend klar aus: Mit 378 zu 196 Stimmen lehnten die Parlamentarier den von der EU mit Washington Ende November ausgehandelten Datenaustausch zur Terrorabwehr klar ab. Die Kraftprobe mit den eigenen Hauptstädten wie mit der US-Regierung entschied das EU-Parlament damit für sich.

Das Swift-Abkommen gilt eigentlich bereits seit dem 1. Februar. Dass der Europäische Rat es einen Tag vor dem Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon am 1. Dezember geschlossen hatte, mag mindestens, wenn nicht gar mehr ins Gewicht fallen als die Kritik der Parlamentarier am Datenschutz. Das rüde Vorgehen der 27 Innenminister kam beim Parlament als Provokation an. Denn mit dem Lissabon-Vertrag muss das Abgeordnetenhaus internationalen Verträgen zustimmen.

Wegen des ausstehenden Votums hat das belgische Unternehmen Swift, bei dem die Bankdaten liegen, die Weitergabe an die USA vorerst ausgesetzt. Im wallonischen La Hulpe sind Millionen Bankdaten gespeichert, die die USA seit den Terroranschlägen vom September 2001 bislang zur Terrorfahndung nutzten. Seit Anfang 2010 können amerikanische Fahnder aber nicht mehr auf die Daten zugreifen, weil Swift die bisherige Spiegelung auf US-Territorium nach scharfen Protesten in Europa eingestellt hat. Nach Meinung von Experten tut sich deshalb aber keine Sicherheitslücke auf, weil Washington jederzeit über Rechtshilfeabkommen Einzelabfragen machen kann.

Swift hatte sowohl auf europäischer wie deutscher Ebene für massive Ablehnung gesorgt. Viele Politiker sehen in dem Vertrag eine Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz, weil das gekippte Abkommen, das für neun Monate hatte gelten sollen, unter anderem die Weitergabe von Daten an Drittstaaten nicht ausschloss. Auch klärte es den Rechtsschutz von betroffenen Firmen und Privatpersonen nicht. Zudem erlaubte der Vertrag die Abfrage riesiger Datenpakete.

Eigentlich hatte die Abstimmung bereits am Mittwoch stattfinden sollen. Doch wegen des großen Diskussionsbedarfs wurde eine weitere Plenumsdebatte angesetzt. In den Tagen zuvor hatten sich Abgesandte der US-Regierung im Elsass die Klinke in die Hand gereicht. Sogar Außenministerin Hillary Clinton hatte Parlamentspräsident Jerzy Buzek angerufen. "Die Abstimmung ist ein Rückschlag für den gemeinsamen Terrorkampf von USA und EU", ließ die US-Botschaft in Brüssel nun nach dem Votum verlauten.

Eine Mehrheit aus Grünen, Sozialisten und Liberalen setzte sich nun gegen den Druck Washingtons durch. Allein die größte Fraktion, die konservative EVP, war mit Ausnahme der deutschen Abgeordneten für Swift gewesen. "Über Daten, die für Europas Bürger wichtig sind, wird künftig nicht mehr im Hinterzimmer des Rats, sondern im Parlamentsplenum verhandelt", sagte der CSU-Politiker Manfred Weber, der den deutschen Widerstand in der EVP angeführt hatte.

Nun also müssen EU-Kommission und Rat das Parlament bei der Ausarbeitung eines neuen Abkommens einbeziehen. Die Abgeordneten rechnen damit, dass sie den Vertrag schnell abschließen können, weil die Rahmenbedingungen für Swift schon lange für das EU-Parlament feststehen. Zugleich hofft man, wegen des hohen Zeitdrucks bei den Amerikanern auf Verhandlungsbereitschaft zu stoßen.

Doch mag diese Annahme auch nach hinten losgehen: Washington könnte sich entscheiden, gar nicht mehr mit Brüssel zu reden und lieber bilaterale Vereinbarungen - etwa mit Belgien - zu treffen.