Parlament lehnt 17 von 24 Kabinettsvorschlägen Karsais ab - UN-Vertreter kritisiert Verzögerung vor Afghanistan-Konferenz in London

Kabul. Vier Wochen vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London hat die Regierung in Kabul einen herben Rückschlag erlitten: Das Parlament lehnte 17 der 24 Vorschläge von Präsident Hamid Karsai für sein Kabinett ab. Der Leiter der UN-Mission in Kabul, Karl Eide, kritisierte die neue Entwicklung und forderte, es müsse endlich eine Regierung geben, welche die erforderlichen Reformen in Angriff nehme. Eide zeigte sich überrascht vom Vorgehen des Parlaments. Es könne Wochen dauern, bis Karsai neue Kandidaten für sein Kabinett gefunden habe. Bis dahin könne er sich nicht auf die Partnerschaft mit den Geberstaaten vor der Londoner Afghanistan-Konferenz am 28. Januar konzentrieren.

Der zehnstündige Abstimmungsmarathon am Sonnabend begann mit einer Niederlage für den Warlord Ismail Chan, der nach dem Willen Karsais erneut Energieminister sein sollte. Chan ist umstritten, weil er während des Bürgerkriegs in Afghanistan eine gefürchtete Miliz in der Provinz Herat führte. Auch der einzigen Frau im bisherigen Kabinett wurde eine weitere Amtszeit verweigert. Einige Abgeordnete hatten schon vor der Abstimmung Widerstand angemeldet und die einige der Nominierten als unfähig und korrupt bezeichnet. Von den neu vorgeschlagenen Ressortschefs billigte das Parlament nur zwei. Entscheidend für Karsais Auswahl seien offenbar „Volkszugehörigkeit, Bestechung oder Geld“ gewesen, sagte der Abgeordnete Fausia Kufi.

Karsai zeigte sich ebenfalls überrascht von der breiten Ablehnungsfront, gab sich aber gelassen. Sein Sprecher Wahid Omar sagte am Sonntag: „Dies ist die Schönheit der Demokratie.“ Die Wahlkommission legte unterdessen ungeachtet internationaler Forderungen nach einer vorherigen Wahlreform die Abstimmung über ein neues Parlament auf den 22. Mai 2010 fest. Das Land brauche allerdings rund 50 Millionen Dollar (35 Millionen Euro), um die auf 120 Millionen Dollar geschätzten Kosten der Wahl begleichen zu können, betonte der Leiter des Gremiums, Ali Nadschafi.

Unklar blieb zunächst, ob die Wahl auch stattfinden könnte, wenn die internationalen Geldgeber die notwendigen Zuschüsse verweigern sollten. Man sei sich darüber im Klaren, dass die Vereinten Nationen gewisse Reformen am Wahlgesetz gefordert hätten, erklärte Nadschafi. Das aber liege in der Hand des Parlaments. Die Wahlkommission habe keine offiziellen Warnungen erhalten, dass die internationale Gemeinschaft die Wahl nicht unterstützen könnte.

Eine US-Delegation hatte diese Möglichkeit allerdings bei einem kürzlichen Besuch in Kabul angedeutet. Angesichts weit verbreiteten Wahlbetrugs bei der Präsidentenwahl vom vergangenen August halten internationale Beobachter eine Reform des afghanischen Wahlrechts für unabdingbar, so dass eine Verschiebung der Abstimmung vorgeschlagen wurde. Präsident Karsai bestand indessen auf dem Mai-Termin, der von der Verfassung vorgegeben sei.

Eine andere Frage ist die Sicherheit während der Wahl. Nadschafi erklärte, in den am meisten von Anschlägen bedrohten Gebieten würden keine Wahllokale eingerichtet. Die Stimmberechtigten könnten dann aber in Nachbarregionen wählen. Diese Regelung galt schon bei der Präsidentenwahl in insgesamt zehn Stimmbezirken. Bei einem Luftangriff der internationalen Truppen in Afghanistan wurden nach Behördenangaben sieben Zivilpersonen getötet. Der Einsatz in Laschkar Gah in der Provinz Helmand sei am Mittwoch erfolgt, teilte Gouverneur Dawud Ahmadi mit. Außerdem seien zwei Taliban-Kämpfer getötet worden.