Venezuelas Präsident sieht sein Land durch ein Militärabkommen bedroht, das Kolumbien kürzlich mit den USA geschlossen hat.

Hamburg/Caracas. Schon vor einigen Monaten hatte Venezuelas linksgerichteter Präsident Hugo Chávez düstere Warnungen ausgestoßen: Der "Wind des Krieges" beginne durch Südamerika zu wehen. Gestern schien dieser Wind noch einmal aufzufrischen, denn Chávez rief die Bürger Venezuelas dazu auf, sich auf einen Krieg mit dem Nachbarland Kolumbien vorzubereiten. Kein Tag dürfe für die "wichtigste Mission" verschenkt werden. Wenn es zum Krieg käme, könne er sich auf den "gesamten Kontinent ausweiten".

In seiner wöchentlichen Selbstdarstellungssendung "Aló, Presidente" sagte Chávez: "Bereiten wir uns auf den Krieg vor." Dies sei der beste Weg, den Krieg zu vermeiden. Chávez bemüht damit die alte römische Formel "si vis pacem, para bellum" - "wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor". Sie hat schon damals selten funktioniert.

Es sei die Verantwortung aller Venezolaner, das "heilige Vaterland zu verteidigen", rief Chávez. In jüngster Zeit hatte es mehrere Todesfälle beiderseits der Grenze gegeben, nach einem weiteren Zwischenfall in der vergangenen Woche, bei dem zwei venezolanische Nationalgardisten erschossen worden waren, hatte er zusätzliche 15 000 Soldaten an die Grenze beordert.

Entrüstet wies die kolumbianische Regierung das Säbelrasseln des ungeliebten Nachbarn zurück und kündigte an, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) anzurufen. Präsident Alvaro Uribe verwahrte sich gegen die "Kriegsdrohungen der venezolanischen Regierung" und kündigte an, auch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einschalten zu wollen.

Hintergrund der Krise ist ein Militärabkommen, das die US-Regierung mit Kolumbien geschlossen hat. Für die nächsten zehn Jahre dürfen die US-Streitkräfte sieben kolumbianische Militärbasen sowie mehrere Zivilflughäfen in Kolumbien benutzen. Nach offizieller Darstellung aus Washington und Bogotá dient das Abkommen dem Kampf gegen den Terrorismus und den Drogenhandel. Doch mehrere Staaten der Region hegen den Verdacht, dass die USA einen militärischen Brückenkopf errichten will, um notfalls gegen linke Regime vorgehen zu können, die ihre (Öl-)Interessen bedrohen. Das gilt nicht zuletzt für Venezuela, einen Haupt-Öllieferanten für die USA. Außenpolitisches Ziel von Chávez ist es, den Einfluss der USA zurückzudrängen. Er hat nicht nur die Beziehungen zu Washington abgebrochen - bei einem Treffen mit Barack Obama im April gelobte er allerdings die Wiederaufnahme -, auch die zu Bogotá liegen auf Eis.

Neben Venezuela haben aber auch Brasilien, Bolivien und Ecuador den amerikanisch-kolumbianischen Militärvertrag verurteilt. Die Politikwissenschaftlerin Elsa Cardoso von der Zentraluniversität von Venezuela meinte zwar, Chávez versuche mit den Kriegsdrohungen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den drängenden Problemen des Landes abzulenken. Doch die zwischenstaatlichen Probleme sind Realität. Chávez ist bezichtigt worden, die linksrevolutionäre marxistische Guerillabewegung Farc in Kolumbien mit Waffenlieferungen und Geld im Wert von 300 Millionen Dollar unterstützt zu haben. Die Farc kämpft gegen den kolumbianischen Staat und die rechtsgerichteten Paramilitärs, die immer wieder schwerster Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden. Diese wiederum genießen die Unterstützung der USA und attackieren schon mal Farc-Milizen auf fremdem Territorium - wie in Ecuador. Die kolumbianische Armee ist mit rund 200 000 Aktiven die stärkste Streitmacht der Region und wird von der Bataillonsebene aufwärts von US-Militärberatern ausgebildet. Sie ist erfahren im Guerillakampf, hat allerdings Probleme, schon das eigene staatliche Territorium zu kontrollieren, und wäre für einen Krieg mit Venezuela schlecht mit schwerem Gerät gerüstet.

Die Streitkräfte Venezuelas sind nur rund 82 000 Mann stark. Chávez hat allerdings das System der Volksverteidigung eingeführt und will eine riesige nationale Militärreserve von zwei Millionen Mann aufbauen.