Seine Völkermord-Anklage ist ihm zu umfangreich, das Vorverfahren ging ihm zu schnell, und das Gericht hält er für unfair: Mit “Bedauern und allem Respekt“ hat der einstige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic dem Uno-Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien mitgeteilt, dass er seinen am Montag beginnenden Prozess boykottieren wird.

Den Haag. "Ich informiere Sie hiermit, dass meine Verteidigung nicht bereit ist für den Prozess, der am 26. Oktober beginnen soll, und dass ich daher an diesem Datum nicht erscheinen werde", schrieb Karadzic in einem Brief an den Vorsitzenden Richter O-Gon Kwon.

In dem Schreiben versteigt sich der Angeklagte sogar zu einem Vergleich des Uno-Gerichts mit der Nazi-Justiz. Vor allem aber erklärt der nach fast 13-jähriger Flucht im Juli 2008 verhaftete Ex-Präsident der bosnischen Serbenrepublik, die Zeit habe nicht zur Vorbereitung seiner Verteidigung ausgereicht. Dass er sich auf eigenen Wunsch selbst verteidige, habe damit nichts zu tun. Auch einem Profi-Anwalt hätte die Zeit nicht genügt.

Die Staatsanwaltschaft habe ihn bewusst "begraben unter einer Million Seiten" von Dokumenten, "nur um dann relevantes Material erst viele Monate nach meiner Verhaftung herauszugeben", schrieb Karadzic. Er habe angesichts "ungerechter Umstände" keine Möglichkeit gehabt, eine angemessene Verteidigung vorzubereiten. Zudem wirft Karadzic dem Jugoslawien-Gerichtshof erneut vor, ein Instrument "der Feinde Serbiens und der Nato" zu sein. Die Gerichtssprecherin Nerma Jelacic erklärte, es gebe "derzeit keinerlei Anzeichen für eine Vertagung" des Prozesses. "Chefankläger Serge Brammertz ließ mitteilen, die Staatsanwaltschaft sei bereit für den Beginn des Prozesses, die Entscheidung liege bei den Richtern. "Das Wichtigste ist, dass dieser Prozess beginnt, wenn nicht Montag, dann später."

Karadzic werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in elf Fällen vorgeworfen, darunter zwei Fälle von Völkermord. So soll er als Präsident der bosnischen Serbenrepublik und Oberkommandierender der bosnisch-serbischen Streitkräfte die Hauptverantwortung für Massenmorde mit dem Ziel der Vertreibung von Muslimen und Kroaten aus Orten in Bosnien-Herzegowina tragen, die von Serben beansprucht wurden. Zudem trage er Schuld an den Massakern in Srebrenica und Umgebung, denen 1995 bis zu 8000 muslimische Männer zum Opfer fielen. Das Kommando hatte der Karadzic politisch unterstellte General Ratko Mladic, der flüchtig ist.