Barack Obama macht in der Diskussion um seine Gesundheitsreform Boden gut. Ziel ist eine erschwingliche Krankenversicherung für alle Amerikaner.

Washington. Barack Obama hat mit einer Rede, die Wehrhaftigkeit mit Kompromissangeboten, hochgestimmten Moralgeboten und Versicherungsprosa verband, die Initiative in der Debatte um die US-Gesundheitsreform zurückgewonnen. Die Saison der parteipolitischen Spielereien sei vorüber, sagte der amerikanische Präsident. "Jetzt ist die Zeit zum Handeln." Er werde keine Zeit verschwenden mit jenen, die jede Reform abzuwürgen trachteten. Zugleich versicherte er, dass er offen bleibe für Vorschläge der Opposition. "Ich bin nicht der erste Präsident, der dieses Anliegen angeht, aber ich bin entschlossen, der letzte zu sein."

Mehr als drei Dutzend Applausstürme durch die Demokraten wurden während der knapp 50 Minuten währenden Rede des Präsidenten vor beiden Kammern des Kongresses gezählt. Ebenso häufig rührten die Republikaner demonstrativ keine Hand; mindestens einmal gab es hämisches Gelächter aus ihren Reihen, als Barack Obama mit einigem Understatement zugab, es gebe noch ungeklärte Fragen zwischen den Parteien. Doch nicht, was die vorhersehbaren Applausrituale hergeben würden, war das Ziel des Präsidenten. Er war gekommen (und gezwungen), endlich den Amerikanern selbst zu erklären, was sein Plan für sie bedeutet. Was er kostet und warum er jetzt sein muss. Mitten in der tiefsten Finanzkrise mit der höchsten Staatsverschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Gerade jetzt, argumentierte der Präsident: "Unser Problem im Gesundheitswesen ist unser Defizitproblem!" Die Kostenexplosion gefährde die Gesundheit der Republik selbst. Jeden Tag verlören 24 000 Amerikaner ihre Krankenversicherung. Er werde dafür sorgen, rief er in den Jubel der Demokraten, dass es künftig gegen das Gesetz verstoße, einem Menschen Versicherungsschutz wegen Vorerkrankungen zu verweigern oder den Vertrag im Ernstfall zu kündigen oder aufzuweichen. Jeder Amerikaner werde verpflichtet sein, wie bei einer Autohaftpflicht, sich gegen Krankheit zu versichern. Oder eine Strafgebühr zu zahlen, falls er sich weigert. Es müsse Schluss sein mit diesem "unverantwortlichen Verhalten", das der Gemeinschaft die Kosten solcher Verweigerer für den medizinischen Notfall aufbürde. Obama sprach von einer vierjährigen Übergangsphase, die mit einer Maßnahme (sogenannte "high risk pools") überbrückt werden könne.

Die 900 Milliarden Dollar Kosten für die Reform über zehn Jahre verteilt würden nicht nur von den Kriegskosten in Irak und Afghanistan übertroffen, die sein Vorgänger und seine republikanische Kongressmehrheit zu verantworten hatten. Auch George W. Bushs Steuersenkungen für die reichsten Amerikaner hätten dem Fiskus mehr Verluste gebracht, als die Reform koste.

Doch nicht nur die Linke galt es zu befrieden. Auch den Republikanern wollte Obama das ihre in seinem Plan anbieten; und sei es nur, um sie im Falle einer Totalverweigerung zu beschämen. So versprach er, die Reform durch keine weitere Kreditaufnahme, sondern durch Einsparungen und Besteuerung von Krankenkassen zu finanzieren. Auch eine "public option", eine staatliche Alternative zu privaten Anbietern, müsse sich, so Obama, selbst tragen und werde nicht durch Steuern bezuschusst. Den Senioren, die in erfolgreichen Angstkampagnen von Reformgegnern um ihre Behandlungen durch das staatliche Medicare fürchteten, garantierte der Präsident, dass der Fonds nicht angerührt werde. Und er kündigte an, er werde, wie sein Amtsvorgänger, prüfen lassen, wie gegen die Unsitte von Kunstfehlerprozessen vorzugehen sei. Ärzte müssen sich für Unsummen gegen die bizarrsten Vorwürfe versichern. Schmerzensgeld-Anwälte zählen jedoch zur spendenmächtigsten Klientel der Demokraten.