Frauen haben hier seit 1000 Jahren keinen Zutritt. Auch Männer brauchen besondere Gründe, wenn sie die griechische Halbinsel Athos betreten wollen.

Frauen hätten keine Chance, die Fähre zu besteigen. Frauen ist der Zutritt zu diesem Land grundsätzlich verwehrt. Niemals würden sie ein Diamonitirion ausgestellt bekommen, die "Durchgeherlaubnis", wie das Visum für die Autonome Mönchsrepublik Athos offiziell heißt. Und auch für Männer, die nicht dem orthodoxen Glauben anhängen, ist es nicht leicht, in dieses merkwürdige, von Legenden und Sagen umwobene und von uralten Traditionen geprägte Land eingelassen zu werden.

Touristen sind hier nicht erwünscht, nur Pilger dürfen kommen, und auch sie nur in begrenzter Zahl. Pro Tag lassen die Mönche höchstens 110 Orthodoxe und zehn andersgläubige Besucher auf den Agion Oros, den Heiligen Berg, wie der östlichste Finger der dreifingrigen Halbinsel Chalkidiki auch genannt wird. Nur in Ausnahmefällen lässt das Büro des Heiligen Berges im nordgriechischen Thessaloniki kunsthistorisches oder wissenschaftliches Interesse als Begründung zu.

Unser Antrag hat die Beamten überzeugt. Mein Freund Henrik und ich haben alle Formalitäten bewältigt, halten das Diamonitirion und unseren Pass in der Hand und betreten an diesem sonnigen Morgen das Fährschiff, das uns von der Hafenstadt Ouranopoli nach Dafni bringen wird, in den Haupthafen der Mönchsrepublik. Im Pilgerbüro im Zentrum von Ouranopoli, wo wir unser schon vor einem halben Jahr beantragtes Visum abgeholt haben, erklärt eine Hinweistafel, wie man sich als Pilger verhalten soll: Baden ist verboten, kurze oder auch nur halblange Hosen sind ebenso tabu wie ärmellose T-Shirts und Piercings, Sandalen sind nur mit Socken erlaubt. Vier Tage gilt unser Visum, wir sind in drei Klöstern für jeweils eine Nacht angemeldet.

Das kleine Fährschiff ist inzwischen gut gefüllt. Die meisten Passagiere sind griechische Pilger und Bauarbeiter, außerdem ein paar Russen und Bulgaren, vier deutsche Ingenieure aus Hildesheim mit einem griechischen Freund, die ähnlich große Wanderrucksäcke bei sich haben wie Henrik und ich. Dazu viele Mönche in ihrem schwarzen Habit mit Bärten von beeindruckender Fülle und langen Haaren, die am Hinterkopf zu einem Knoten gebunden sind - eine reine Männergesellschaft.

Die Fähre legt ab und nimmt Kurs auf Dafni, fährt dichter am Ufer entlang als die Touristenboote, die sich bei ihren Athos-Rundfahrten der Küste nicht mehr als 500 Meter nähern dürfen. Schon nach wenigen Minuten haben wir die Grenze erreicht, gleich hinter Ouranopoli trennt eine Mauer den Heiligen Berg vom weltlichen Griechenland ab, gesichert mit Stacheldraht, bewacht von der griechischen Polizei. Niemand darf sie passieren, die Einreise erfolgt ausschließlich auf dem Seeweg. Auf einem Schild, das vom byzantinischen Doppeladler bekrönt wird, teilt die "Heilige Gemeinde von Athos" auch in deutscher Sprache mit, was alles verboten ist:

Der Frauenzugang. Das Anlaufen von Wasserfahrzeugen ohne Sondergenehmigung. Der Aufenthalt von Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Verstöße gegen obige Anordnungen werden streng geahndet.

Jenseits der Grenze beginnt ein unwegsames Gebiet, das aus Furcht vor Giftschlangen angeblich nicht zu Fuß durchquert werden sollte. Wie ein Puffer schützt der Streifen das Reich der Mönche vor den Anfechtungen des weltlichen Griechenland.

Und warum gibt es seit mehr als 1000 Jahren keine Frauen auf Athos? Um das Jahr 40, so die Legende, soll die Jungfrau Maria auf dem Weg nach Zypern vom Unwetter überrascht und zur Landung auf Athos gezwungen worden sein. Seither soll sie hier keine weibliche Konkurrenz dulden. Seit 1045 ist das als "Avaton" bezeichnete Frauenverbot festgeschrieben. Nicht einmal weibliche Tiere sind erlaubt - mit Ausnahmen von Katzen und Hühnern. Die einen fressen Mäuse und Ratten, die anderen legen Eier, als Nahrungsmittel und als Farbstoff für die Ikonenmalerei.

Obwohl immer mal wieder Frauenrechtlerinnen demonstrativ die Grenze verletzen, werden die Männer wohl auf lange Sicht unter sich bleiben. Nur in Zeiten größter Not werden Ausnahmen gemacht - zum Beispiel fanden während des Bürgerkrieges von 1946 bis 1949 auch Frauen und Kinder Zuflucht.

Auf dem Heiligen Berg gehen die Uhren ohnehin anders. Hier gilt noch der julianische Kalender, und der neue Tag beginnt mit dem Sonnenuntergang, außer in einem Kloster, wo der neue Tag bei Sonnenaufgang anbricht. Trotz aller Beschaulichkeit - auch unter schwarzen Kutten gibt es schwarze Schafe. Höhepunkt war Ende 2008 ein Immobilienskandal, in den die Mönche des Klosters Vatopediou und führende Mitglieder der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia verstrickt waren - und der den griechischen Staat 100 Millionen Euro gekostet haben soll.

Nach etwa einer Stunde Fahrt tauchen die ersten Klöster auf. Es sind ebenso trutzige wie malerische Gemäuer, die manchmal direkt an der Küste erbaut wurden, oft aber hoch über dem Meer auf Felsen thronen. Heute leben auf Athos knapp 2500 Mönche in 20 Hauptklöstern und einer ganzen Reihe weiteren Nebenklöstern und Einsiedeleien. Das asketische Leben der überwiegend griechischen, aber auch russischen, bulgarischen, serbischen und rumänischen Brüder ist vor allem dem Gebet gewidmet. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs zieht es viele Mönche aus osteuropäischen Ländern auf den Heiligen Berg. Seit die Unesco Mount Athos 1988 als Weltkultur- und Weltnaturerbe gleich doppelt unter Schutz stellte, fließen üppige Fördergelder.

Eine Stunde später hat die Fähre Dafni erreicht, ein verschlafenes mediterranes Hafenstädtchen, von dem aus zwei klapprige Reisebusse Mönche und Pilger in einer halben Stunde in die Inselhauptstadt Karyes fahren, "Europas kleinste Hauptstadt". Von dort bringt uns ein Kleinbus für 50 Euro auf einer der wenigen Inselstraßen in Richtung Südosten. Megistis Lavras ist das älteste Kloster der Halbinsel, gegründet 963. Das eindrucksvolle Bauwerk mit seinen vielen Galerien, Höfen und Kuppeln scheint wie ausgestorben. In der Kirche, die hier Katholikon genannt wird, blasen die Mönche gerade Bündel von Kerzen aus, die sie dann auf eine Trage legen. In einer Prozession wird sie aus der Kirche getragen, über die Höfe zum Friedhof. Es ist eine Beerdigung. Zwei Mönche legen ihren verstorbenen Mitbruder, der vollkommen in seine Kutte eingenäht ist, in ein flaches Grab und decken seinen Kopf mit einem Stein ab. In drei Jahren werden sie ihn exhumieren und seinen Schädel mit Wein auswaschen. Nur wenn sie ihn weiß vorfinden, hat seine Seele den Weg in den Himmel gefunden ...

Die Wände des Refektoriums direkt gegenüber der Kirche sind über und über mit biblischen Motiven bemalt, mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts und Szenen aus Marias Leben. Auf Marmortischen ist mit Edelstahlgeschirr eingedeckt, im vorderen Teil für die Mönche, im hinteren für die Pilger. Es gibt zerkochtes und nahezu geschmacksneutrales Gemüse, dazu grünen Salat und so etwas wie Rotwein. Man isst, schweigt und lauscht dem Bibeltext, den einer der Brüder während des Essens vorliest. Wenn der Abt das Essen beendet, ist es auch für alle anderen vorbei.

Am Abend erfahren wir noch, dass der Gottesdienst morgens um vier beginnt und unsere Teilnahme erwünscht sei. In Megistis Lavras dürfen auch andersgläubige Pilger am Gottesdienst teilnehmen. Kurz vor vier Uhr schlagen die Mönche den Holzkörper des Simatrons, auf den die Mönche den Weckruf schlagen. Aber erst zwei Nächte später, im Kloster Simonos Petras, werden wir die fantastisch-meditative Stimmung des nächtlichen Gottesdienstes erleben. Diesmal haben wir andere Ziele.

Am Morgen um sieben Uhr verlassen wir Megistis Lavras und wandern Richtung Süden auf einem jener 1000 Jahre alten Pilgerpfade, von denen viele schon überwuchert und damit wohl für immer verschwunden sind. Vorbei an alten Steineichen, blühendem Ginster und wilden Olivenbäumen, begegnen wir stundenlang keinem Menschen. Nach vier Stunden haben wir Stavros erreicht, das Wegekreuz, von dem aus der eigentliche Aufstieg zum Gipfel beginnt. Ein halb verrostetes Schild gibt die Dauer des Weges zu der auf 1500 Meter liegenden Hütte Panaghia (Allheilige) mit zwei, bis zum Gipfel mit weiteren eineinhalb Stunden an - allzu optimistisch. Der Rucksack drückt zentnerschwer, die Füße schmerzen, jeder Schritt tut weh. Zu allem Unglück wird auch noch das Wasser knapp. Auf einmal liegt Panaghia vor uns, 1500 Meter über dem Ausgangspunkt, mit einer Kapelle und einem Schlafraum für die Nacht. Unser eigentliches Tagesziel, das Kloster Agiou Pavlou, haben wir uns längst aus dem Kopf geschlagen. Das letzte Stück zum Gipfel gehen wir ohne Gepäck.

Die neuneinhalb Stunden Wanderung haben sich gelohnt. Wir sind ganz allein, die Halbinsel liegt uns mit ihren Klöstern buchstäblich zu Füßen. Hier ist es so still, dass wir den Flügelschlag der Möwen hören. Wir gehen in die winzige Gipfelkapelle Metamorphosis Sotirios und entzünden eine Kerze. Dies ist ein besonderer, ein spiritueller Ort. Einmal im Leben, sagen die Athos-Mönche, muss man den Heiligen Berg bestiegen haben. Jetzt wissen wir, warum.