Einschüchtern und ein wenig einlenken - Machthaber setzen auf eine Doppelstrategie. Langfristig könnte durch die Proteste die Autorität von Revolutionsführer Chamenei Schaden nehmen.

Hamburg/Teheran. Das Mullah-Regime im Iran versucht mit einer Doppelstrategie den Widerstand der Oppositionellen zu brechen. Zum einen verstärkten die Behörden ihre Repressionen und nahmen neben Hunderten Demonstranten des gestrigen Trauermarschs in Teheran weitere Kritiker des Regimes von Präsident Mahmud Ahmadinedschad fest. Unter ihnen waren auch der frühere iranische Außenminister Ebrahim Jasdi, der aus einer Klinik gezerrt wurde, der Herausgeber der Reformzeitung "Sarmajeh", Said Lailas, sowie der Reformer Mohammed Reza Dschalaiepur. Lailas' Kritik am Wirtschaftskurs von Ahmadinedschad war häufig von ausländischen Medien zitiert worden. Der Generalstaatsanwalt der Provinz Isfahan, Mohammed Reza Habibi, drohte "Aufrührern" bereits die Todesstrafe an.

Zum anderen erklärte sich der mächtige Wächterrat, das wichtigste Kontrollgremium der Islamischen Republik, bereit, die drei bei der Präsidentenwahl unterlegenen Kandidaten zu empfangen und sich ihre Beschwerden über Wahlfälschungen anzuhören. Neben dem Zweitplatzierten Mussawi sind dies Mohsen Resai und Mehdi Karrubi. Insgesamt prüfe der Wächterrat derzeit 646 Beanstandungen, teilte das Gremium mit, dem neben sechs streng religiösen Juristen sechs konservative Geistliche angehören.

Der iranische Geheimdienst behauptete gestern im staatlichen Sender Iris, er habe während der Präsidentenwahl eine ganze Serie von Bombenanschlägen verhindert; dahinter stünden "Feinde des Iran im Ausland". Dies könnte darauf hindeuten, dass der Staat einen Vorwand sucht, noch härter gegen die Opposition vorzugehen. Langfristig könnte die Rebellion in den Straßen die Autorität des eigentlichen Machthabers, Revolutionsführer Ali Chamenei, beschädigen. Mit dem Entgegenkommen des Wächterrats versucht Chamenei offensichtlich Zeit zu gewinnen und die Wut der Opposition zu besänftigen. Er hat innenpolitisch gegenüber der Opposition ein Glaubwürdigkeitsproblem, da er sich sehr frühzeitig und einseitig auf die Seite von Ahmadinedschad gestellt hat. Doch falls er zu viele Zugeständnisse an die Opposition macht, könnte dies den konservativen Klerus gegen ihn aufbringen; setzt er jedoch die Revolutionsgarden und die Volksmiliz der Bassidsch gegen die Protestierer in Marsch, riskiert Chamenei neben einer weiteren Spaltung des Landes, den Iran international zu isolieren.