Atomexplosion, Terrorangriff, Cyberkrieg - Experten des Weißen Hauses haben konkrete Pläne erarbeitet.

Hamburg/New York. Vor dieser Konstellation fürchtet sich nicht nur Amerika: Im Oval Office hat der neue Präsident gerade am "Resolute Desk" Platz genommen, dem legendären Schreibtisch aus dem Holz eines britischen Polarforschungsschiffes, als eine internationale Krise über ihn hereinbricht.

Und der Neue, außenpolitisch unerfahren, verliert wertvolle Zeit mit dem Bemühen, sich über seine Optionen zu informieren.

Um dies zu verhindern, haben Experten des scheidenden US-Präsidenten George W. Bush mehr als ein Dutzend Krisenpläne ausgearbeitet. Diese Planungen gehen weiter als alles, was Regierungen in der Geschichte der USA je ihren Nachfolgern hinterlassen haben. "Das ist sehr ungewöhnlich", sagt der Terror-Experte Roger Cressey, der für Bill Clintons Regierung gearbeitet hat, der "New York Times", "wir haben so etwas jedenfalls nicht gemacht." Aber es sei heute eben eine andere Welt. "Jetzt haben wir zwei Kriege im Irak und in Afghanistan und einen heißen Krieg gegen al-Qaida."


Obama ist 'Mann des Jahres'


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Der Anlass für die ungewöhnliche Aktion ist der Bericht einer Kommission, die im Lichte der Ereignisse vom 11. September 2001 zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Übergabe von Clinton an Bush Probleme verursacht habe - und ein "katastrophaler Angriff" auf Amerika könne jederzeit erfolgen.

Die in den Plänen behandelten Krisen sind zum Beispiel eine Atomexplosion in Nordkorea, eine Cyberattacke auf amerikanische Computersysteme, ein Terrorangriff auf US-Vertretungen im Ausland oder ein Gewaltausbruch im Nahen Osten. Jedes Szenario stellt dann dar, welche Handlungsmöglichkeiten sich Obama bieten. Es ist damit praktisch ein Handbuch der Krisenbewältigung.

Das Weiße Haus hat zudem Mitglieder der Mannschaft von Obama zu Planübungen eingeladen, bei denen am 12. und 13. Januar ein politischer GAU durchgespielt wird - ein terroristischer Enthauptungsschlag, bei dem die gesamte Führung der USA ausgelöscht wird.

Überdies hat das Weiße Haus weitere drei Dutzend Memoranden angefertigt, in denen Obama auf langfristig wirksame politische Herausforderungen hingewiesen wird. Außerdem hat die nach dem 11. September eingerichtete Heimatschutzbehörde fast 100 Spitzenbeamten der künftigen Administration ein Krisentraining absolvieren lassen.

Bush sagte dem Sender CNN, es sei die oberste Priorität seiner letzten Amtstage, Obama regierungsfähig zu machen. Bereits im Wahlkampf hatte der designierte US-Vizepräsident Joseph R. Biden erklärt, Obama müsse mit einer "unerwarteten internationalen Herausforderung" rechnen. Aus der Umgebung von Obama, gerade vom "Time"-Magazin zum Mann des Jahres 2008 gekürt, hieß es, man begrüße zwar die Maßnahmen des Weißen Hauses. Aber: "Das spricht die Bush-Administration nicht frei von einigen Beurteilungen, die sie im Laufe der Jahre gemacht hat." Ein Hinweis darauf, dass Obama sich offenbar keineswegs auf die Vorschläge verlassen wird.