Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat Premierminister Gordon Brown verärgert. Er hat den Krisenplan Großbritanniens zur Rezessionsbekämpfung kritisiert. Steinbrück bezweifelte in einem Interview mit dem US-Magazin „Newsweek“ die Wirksamkeit der Mehrwertsteuersenkung auf der Insel.

London/Berlin. "Wer kauft sich einen DVD-Player, nur weil dieser jetzt 39,10 statt 39,90 Pfund kostet?", fragte der SPD-Politiker. Die Steuersenkung werde lediglich die britischen Staatsschulden in die Höhe treiben, so dass "eine ganze Generation" arbeiten müsse, um sie wieder abzubauen. Weiter monierte er: "Dieselben Leute, die sich immer gegen schuldenfinanzierte Staatsausgaben gewehrt haben, werfen nun mit Milliarden um sich. Der Schwenk von Jahrzehnten angebotsorientierter Politik direkt zu grobem Keynesianismus ist atemberaubend."

Brown wies die Vorwürfe am Donnerstag zurück und sagte, Steinbrücks Bemerkungen passten nicht zu den tatsächlichen internationalen Entwicklungen. "Fast jedes Land weltweit tut nun, was wir schon getan haben", sagte er dem Radiosender LBC und fügte an: "Ich möchte nicht in innerdeutsche Politdebatten hineingezogen werden."

Zustimmung erhielt Steinbrück indes vom Finanzexperten der oppositionellen Konservativen, George Osbourne. In der britischen Presse wurde Steinbrücks Interview breit kommentiert. Der "Telegraph" schrieb etwa, die Kritik sei peinlich für Brown, der mit seinem Konzept gegen die Weltfinanzkrise eine Führungsrolle beanspruche.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles übte indes offen Kritik an Steinbrück. Es sei falsch, wenn die USA und Europa nicht an einem Strang zögen und Deutschland aus der gemeinsamen europäischen Linie ausschere, sagte sie der "Financial Times Deutschland" (Freitagausgabe). "Vor diesem Hintergrund kann ich die Äußerung von Peer Steinbrück nicht teilen."

Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle sagte dem Kölner "Express": "Dass die Bundesregierung andere Länder beschimpft, weil die die Steuern senken, zeigt, wie weit die Regierung sich mit ihrer Politik vom Volk entfernt hat. Dass sich der deutsche Finanzminister mit seinem Nein zu Steuersenkungen zum Oberlehrer Europas macht, schadet deutschen Interessen."

Herbert Schui von der Linken meinte: "In der internationalen Presse das englische Konjunkturpaket anzugreifen, ist ein starkes Stück. Der Bundesfinanzminister macht sich zum neoliberalen Lehrmeister Europas."

Das Bundesfinanzministerium versuchte am Donnerstag, die Wogen zu glätten. "Es geht nicht darum, unsere britischen Freunde zu kritisieren. Nichts liegt uns ferner", erklärte Steinbrücks Sprecher Torsten Albig. "Der Bundesfinanzminister hat nur im Rahmen einer in Deutschland laufenden Instrumentendebatte klar gemacht, warum die befristete Senkung der Mehrwertsteuer für Deutschland kein geeignetes Mittel im Kampf gegen die globale Rezession ist."

Die Haushaltsexperten der Großen Koalition, Steffen Kampeter (CDU) und Carsten Schneider (SPD), unterstützten Steinbrück. "Ich teile seine Analyse voll umfänglich", erklärte Kampeter auf "Spiegel-Online". Schneider meinte: "Ich finde das inhaltlich völlig richtig, was der Finanzminister da gesagt hat." Deutschland müsse sich gegenüber den Maßnahmen von Großbritannien und Frankreich in Europa nicht verstecken. Auf die Reaktionen angesprochen, erklärte er: "Dass Herr Steinbrück den Briten jetzt mal auf die Füße tritt, gehört zum politischen Geschäft dazu".