Martine Aubry gewann mit hauchdünnem Vorsprung. Ségolène Royal akzeptiert das Ergebnis nicht.

Paris. Der Machtkampf bei Frankreichs Sozialisten eskaliert. Nach dem hauchdünnen Sieg der früheren Arbeitsministerin Martine Aubry (58) über ihre Kontrahentin Segolène Royal (55) bei der Wahl zur neuen Parteichefin werden nun auf beiden Seiten die Messer gewetzt.

Aubry liegt mit nur 42 Stimmen vorn. Sie erhielt 50,02 Prozent der Stimmen, Royal kam auf 48,98 Prozent . Beteiligt hatten sich 137 000 der rund 230 000 Mitglieder, das sind 59 Prozent.

Umgehend kündigte Royal an, sie wolle das Ergebnis "wegen Mogeleien" anfechten, und fordert eine Neuwahl am Donnerstag . "Du bist unersättlich, Martine, du willst meinen Sieg nicht anerkennen", sagte sie. Dem Wahlergebnis war ein Chaos vorangegangen. Royals Anhänger behaupten, die Ergebnisse in der Sektion Nord und in Moselle seien falsch gezählt worden. Nach einem Bericht der Nachrichten-Website "Rue89" von gestern wurden 79 im Ausland abgegebene Stimmen nicht erfasst. Das Aubry-Lager höhnt über "stalinistische Resultate" in manchen Überseegebieten, wo Royal fast 100 Prozent erhalten haben soll.

Aubry sieht jedoch keinen Anlass für eine neue Urabstimmung. Gestützt wird sie dabei vom scheidenden Parteichef François Hollande, dem ehemaligen Lebensgefährten von Royal. Er will für Mitte der Woche den nationalen Parteirat einberufen, der die Vorwürfe prüfen und die Nachfolgerin ernennen soll.

Schon macht das Wort "Zickenkrieg" die Runde, aber es ist zu harmlos: Die PS steht mitten in einem Richtungsstreit. Sie sei "unregierbar" geworden, sagte der Politikwissenschaftler Dominique Reynie. "So viel Hass bei der PS", titelte "Journal du Dimanche". Sonntagszeitungen dichteten den Namen Parti Socialiste bereits in Parti Suicidaire (Selbstmordpartei) um.

Seit Jahren stehen sich die beiden Politikerinnen in herzlicher Feindschaft gegenüber. "Segolène und ich, wir haben nichts gemein", sagt Aubry. Die Bürgermeisterin von Lille hat die typische Berufspolitiker-Karriere gemacht: Verwaltungshochschule ENA, dann Hocharbeiten im Arbeitsministerium. Als Arbeitsministerin 1997 bis 2001 hatte sie die 35-Stunden-Woche durchgesetzt. Gestützt wird sie vor allem von den "Elefanten" der PS - den Ex-Ministern Dominique Strauss-Kahn und Jack Lang und den Ex-Premiers Laurent Fabius und Lionel Jospin.

Deren Kandidatin war Segolène Royal nie. Die 55-Jährige steht für einen Generationswechsel, eine Öffnung der PS zur Mitte und für Distanz zur Parteiführung. Dafür findet sie Rückhalt in der Parteibasis. Im Präsidentschaftswahlkampf baute sie das weit verzweigte Bürgernetzwerk Campagne Participative auf und ist offen für eine Koalition mit der Zentrumspartei Mouvement Moderne (MoDem). Aubry lehnt dies für die nationale Ebene strikt ab - in Lille koaliert sie selbst mit MoDem.

Auf der einen Seite also die Vertreterin der "Traditionslinken" und des Gewerkschaftsflügels - auf der anderen die modern-pragmatische Superwoman, die im politischen Starkult punktet. Am Sonnabend erklärte Royal im Sender TF1, sie werde die Partei nicht verlassen - eine offene Drohung, die Präsidentschaftskandidatur 2012 weiterzuverfolgen.

Wenn sie allerdings doch noch PS-Chefin würde, droht eine Abspaltung auf dem linken Flügel. Dann nämlich will der aus der PS ausgetretene Senator Jean-Luc Melenchon eine Parti de Gauche (Linkspartei) gründen, wie er schon ankündigte. Sie hat einen prominenten Paten: Oskar Lafontaine, der auch beim Gründungstreffen auftreten will.

Die Selbstzerfleischung der PS ist gerade jetzt absurd. Bei den Kommunalwahlen im März hatte die PS 47,94 Prozent geholt und Sarkozys UMP zahlreiche Städte abgejagt. Mit dem Drama des Wochenendes dürften die Chancen der PS bei der Präsidentschaftswahl 2012 krass gesunken sein. Kein Wunder, dass UMP-Vertreter über das "selbstzerstörerische Talent" der Sozialisten spotten. "Diese Partei, die entschieden hat, nichts zu entscheiden, ist implodiert", sagte UMP-Sprecher Frederic Lefebvre.