Quo vadis, Kapitalismus? Angesichts der globalen Finanzkrise wollen die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) auf dem Weltfinanzgipfel...

Washington. Quo vadis, Kapitalismus? Angesichts der globalen Finanzkrise wollen die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) auf dem Weltfinanzgipfel heute und morgen in Washington eine gemeinsame Antwort auf diese Frage finden. Einige Teilnehmer warnen schon vor zu hohen Erwartungen.

Die Staaten der Europäischen Union (EU) haben eine grundlegende Neuausrichtung der weltweiten Finanzarchitektur als Marschroute ausgegeben. Ratingagenturen sollen sich strikten Regeln und einer Überwachung unterwerfen. Bilanzierungsregeln sollen weltweit angenähert werden. Kein Finanzinstitut, Marktsegment oder Territorium soll künftig ohne eine angemessene Regulierung oder zumindest Beaufsichtigung bleiben. Außerdem verlangt die EU einen Verhaltenskodex der Finanzbranche und möchte mehr Kompetenzen für den Internationalen Währungsfonds (IWF). 100 Tage nach dem ersten Gipfel wollen die Europäer ein zweites Spitzentreffen einberufen, um erste Fortschritte zu bewerten.

Die europäischen Regulierungswünsche gehen den Verantwortlichen in Washington zu weit. Außer Frage steht nach Angaben aus US-Regierungskreisen, dass die USA einer internationalen Regulierungsbehörde für die Finanzmärkte zustimmen. Das Weiße Haus strebt lediglich einen "Aktionsplan" an, der mehr Transparenz, besseres Risikomanagement und die stärkere Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden festlegen soll.

Für die aufstrebenden Wirtschaftsmächte wie Brasilien, China oder Indien bietet der Gipfel die Chance, ihren Einfluss auf der internationalen Finanzbühne zu vergrößern. Brasiliens Wirtschaftsminister Guido Mantega etwa machte deutlich, dass die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G7) nicht mehr ausreiche, um gegen weltweite Krisen anzugehen.

Die Forderungen nach mehr Regeln für die weltweiten Finanzströme stoßen in den Reihen der Schwellenländer auf Zuspruch. Der chinesische Regierungschef Wen Jiabao erklärte, dass mehr Regulierung für eine größere Stabilität der Finanzmärkte notwendig sei. China könnte in Washington unter Druck geraten, seine immensen Devisenreserven zur Linderung der Krise einzusetzen. Peking verfügt über Rücklagen in Höhe von 1,9 Billionen Dollar - fast achtmal so viel wie der IWF.

Der G20 gehören die sieben führenden Industriestaaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien) sowie Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea und die Türkei an. 20. Mitglied ist die EU, die derzeit von ihrem amtierenden Vorsitzenden Frankreich vertreten wird. Seinen anderen Sitz hat Paris an Spanien und die Niederlande abgetreten. Die G20-Staaten vereinen 85 Prozent des globalen Wohlstands und zwei Drittel der Weltbevölkerung auf sich.

Der künftige US-Präsident Barack Obama wird an dem Gipfel in Washington nicht teilnehmen. Stattdessen kommen die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright und der republikanische Ex-Abgeordnete Jim Leach.