Wochenlang haben sie geschwiegen die Spindoktors und Wahlkampfmanager des Republikaners John McCain. Jetzt packen sie aus - über die Unfähigkeit von Sarah Palin. Vor allem auf “Fox News“, dem Heimsender der US-Konservativen, wird um die Wette gelästert. Die Vizepräsidentschaftskandidatin sei verschwenderisch, eitel und beratungsresistent.

Kann es sein, dass ein Anwärter auf eines der höchsten politischen Ämter der Supermacht USA nicht weiß, dass Afrika kein Land, sondern ein Kontinent ist? Kann es sein, dass die Republikanerin Sarah Palin nicht wusste, dass die Nordamerikanische Freihandelszone Nafta eben die nordamerikanischen Staaten USA, Mexiko und Kanada umfasst? Zumindest eben das behaupten republikanische Wahlkampfmanager, die zwei Tage nach der bitteren Niederlage von John McCain ihre Wunden lecken und Schuldige suchen.

"Sie hat keine der wichtigen politischen Debatten der vergangenen zehn Jahre mitbekommen", klagte ein namentlich nicht genannter McCain-Berater nach Informationen des Nachrichtensenders CNN. Und die Behauptungen über unfassbare Wissenslücken der Gouverneurin von Alaska verbreitete ausgerechnet Carl Cameron, Chefkorrespondent des stockkonservativen US-Senders Fox News. Camerons republikanische Quellen schilderten Palin als unzuverlässige "Diva", eitel und beratungsresistent. Fox News war der Sender, der noch bis zum Wahltag vehement versuchte, Barack Obama als Terroristenfreund und radikalen Sozialisten hinzustellen.

Voller Schadenfreude präsentierte der linke Comedy-Starmoderator Jon Stewart die Bilder des ansonsten verlachten Fernsehsenders. Nun sei es ja endgültig bewiesen, meinte Stewart: "Palin ist dumm, dumm, dumm." Ganz sicher ist sie in einer dummen Situation: Sie gilt vielen Republikanern als Sündenbock für die bittere Niederlage McCains.

Tatsächlich hatte die 44-Jährige gerade mal auf dem Parteitag der Republikaner und kurze Zeit danach die Parteibasis begeistert - dann gab es nur noch eine schier endlose Kette von Peinlichkeiten und Pannen. Auch wenn sie vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs in Alaska freigesprochen worden war, blieb ein schaler Geschmack über Mauscheleien und Machenschaften in dem nördlichsten US-Bundesstaat.

Nachdem die streng konservative Palin sich in einem CBS-Interview mit stammelnden, unsicheren Antworten unerwartete Blößen gegeben hatte, wurde sie zur Zielscheibe aller populären Comedy-Shows. Palin drohte zuweilen zu einer Witzfigur zu verkommen - da half es ihr kaum, dass sie selbst - erneut ziemlich unbeholfen - in der populären Comedy-Sendung Saturday Night Live auftrat.

Als sich dann noch herausstellte, das Palin über 150 000 Dollar für Edel-Klamotten ausgegeben hatte, war auch ihr gepflegtes Image als bodenständige, volksnahe Frau und Mutter ruiniert. Die "New York Times" berichtete, McCain-Mitarbeiter seien geschockt über Palins Kauf-Eskapaden gewesen. Schließlich ließ sich die fünffache Mutter auch noch von kanadischen Komikern foppen, die sie erfolgreich in ein angebliches Telefongespräch mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy lockten. Selbst als der Moderator den Porno "Nailin' Palin" als Dokumentation über ihr Leben lobte, bemerkte Palin nichts.

Am Wahlabend stand sie eisern lächelnd auf der Bühne des Hotelsaals in Phoenix neben McCain, als dieser in einer viel gewürdigten Rede seine Niederlage erklärte und sehr respektvolle Worte für Obamas historischen Sieg fand. US-Medien zufolge konnte McCain im letzten Moment verhindern, dass Palin selbst eine Rede hielt - was einem Vize traditionell nicht zusteht, zumal viele Republikaner Palins Patzer und oft schrille Art fürchten gelernt haben. Sie sei sehr uneinsichtig gewesen, berichtete CNN, schließlich habe sie in den Händen ein Blatt mit der vorbereiteten Rede gehabt.

Es gibt in der republikanischen Partei aber keineswegs nur Feinde Palins, deren Mitarbeiter auch bestreiten, dass sie Afrika oder Nafta nicht kenne. Viele sehen in der Frau, die sich als Reformerin in Alaska und im Kampf gegen Vetternwirtschaft Respekt verschafft hat, die Präsidentschaftskandidatin 2012. Man könne sie "lieben oder hassen", dazwischen gebe es wohl kaum etwas, schrieb der konservative "Wall Street Journal". Auf jeden Fall sei sie eine Frau mit bemerkenswertem "natürlichen politischen Talent". Palin trage keine Schuld an der Wahlniederlage McCains, eher die Berater, die Pannen provozierten statt zu verhindern. Als Palin am Donnerstag in Anchorage in Alaska ankam, begrüßten sie ihre Anhänger mit Plakaten und Sprechchören und forderten: "Palin for President".