Propaganda spricht vom “Kampf auf Leben und Tod“ und nennt den Dalai Lama einen “Wolf im Mönchsgewand“.

Peking/London/Lhasa. China hat zum entschlossenen Kampf um Tibet aufgerufen, zugleich aber die Bereitschaft zum Dialog mit dem Dalai Lama bekundet. Der britische Premierminister Gordon Brown zitierte seinen chinesischen Kollegen Wen Jiabao am Mittwoch mit den Worten, dieser sei unter bestimmten Bedingungen zum Gespräch mit dem Dalai Lama bereit. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter müsse aber der Gewalt abschwören und von der Forderung nach Unabhängigkeit Abstand nehmen. Beide Bedingungen hat der Friedensnobelpreisträger bereits erfüllt.

Brown kündigte in London zudem an, den Dalai Lama im Mai zu treffen. Das dürfte den Bemühungen des britischen Premiers, die Beziehungen zu China zu vertiefen, einen Dämpfer versetzen. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Peking verärgert und mit der Absage von Terminen auf die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel reagiert, den Dalai Lama im Kanzleramt zu empfangen.

Offiziell bekräftigte China seine harte Haltung im Konflikt um die Region, wo Proteste gegen die chinesische Herrschaft in Gewalt ausgeartet waren. Große Truppenkontingente haben sich in Richtung der Westprovinz in Marsch gesetzt. Der tibetische Kommunistenchef Zhang Qingli sprach von einem Kampf auf Leben und Tod. Der Dalai Lama sei "ein Wolf in buddhistischem Mönchsgewand, ein böser Geist mit menschlichem Antlitz und dem Herzen einer Bestie". Gleichwohl bekräftigte China die Absicht, Tibet und seine Nachbarprovinzen trotz der Unruhen nicht vom Staffellauf mit dem olympischen Feuer auszunehmen.

China und Vertreter des Dalai Lama sind seit 1979 im Gespräch. Zuletzt hatten sich beide Seiten im Sommer 2007 getroffen, ohne dass Fortschritte erzielt wurden.

Bei den Ausschreitungen kamen nach offiziellen chinesischen Angaben 13 "unschuldige Zivilisten" ums Leben. Die tibetische Exilregierung spricht von 99 Toten. Der Dalai Lama bestreitet die chinesischen Vorwürfe, Drahtzieher der Unruhen zu sein, und hat beide Seiten zur Gewaltlosigkeit aufgerufen. Für den Fall einer Eskalation der Auseinandersetzungen kündigte er seinen Rücktritt als Chef der tibetischen Exilregierung an.

In einem Interview der "Südwest Presse" aus Ulm wandte sich der Dalai Lama erneut gegen die Forderung nach einem Boykott der Olympischen Spiele. "Ein Boykott scheint mir zu radikal und der Bedeutung Chinas nicht angemessen", sagte er. Der Dalai Lama ist wegen dieser Haltung in den eigenen Reihen in die Kritik geraten. So verlangen exil-tibetische Jugendorganisationen einen Boykott der Spiele.

Die EU-Kommission lehnt einen Boykott der Spiele ebenfalls ab. "Dieser Schritt ist unangemessen, um für die Achtung der Menschenrechte in Tibet einzutreten", sagte eine Sprecherin dem Abendblatt.

Auch die Tibet-Initiative Deutschland ruft das Internationale Olympische Komitee (IOC) sowie die Staatengemeinschaft zum Handeln auf: "Wenn sich jetzt nichts tut, ist Tibet verloren", sagte der Vorsitzende Wolfgang Grader gegenüber dem Abendblatt. Grader, der sich derzeit am Sitz der Exilregierung in Dharamsala (Indien) aufhält, spricht von "massiven Repressionen" der Chinesen. "Wenn sich zwei oder drei Tibeter zusammenstellen, wird geschossen." Die Exil-Tibeter in Indien wagten nicht einmal, ihre Angehörigen anzurufen, weil die Telefongespräche überwacht würden. Die Wut und Gewaltausbrüche aufseiten der jungen Tibeter erklärt Grader so: "Die jungen Leute sehen einfach, dass 50 Jahre friedlicher Weg nichts für die Autonomie Tibets gebracht haben." Vom IOC-Präsidenten Jacques Rogge erwartet die Tibet-Initiative "ein klares Wort".

Auch Papst Benedikt XVI. rief Chinesen und Tibeter zu Toleranz und zum Dialog auf. "Gewalt löst keine Konflikte, sondern verstärkt sie nur", sagte Benedikt bei seiner wöchentlichen Audienz im Vatikan. Er verfolge das Leiden so vieler Menschen mit Trauer und Schmerz.

Bundes-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kündigte an, die im Mai anstehenden Verhandlungen mit China so lange auszusetzen, bis die Gewalt in Tibet ein Ende gefunden hat.


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