Nancy Pelosi geißelt am Sitz des Dalai Lama “Unterdrückung“ der Tibeter. 26 Nobelpreisträger forderten chinesische Regierung zu Gesprächen mit dem geistlichen Oberhaupt auf.

Dharamsala/Peking. Bei einem Treffen mit dem Dalai Lama hat US-Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi die "Unterdrückung" der Tibeter durch China beklagt. "Wenn die freiheitsliebenden Menschen nicht die Unterdrückung in Tibet anprangern, verlieren wir die moralische Autorität, überhaupt von Menschenrechten zu sprechen", sagte Pelosi am Sitz des geistlichen Oberhaupts der Tibeter in Dharamsala in den indischen Bergen. Tausende Exil-Tibeter jubelten Pelosi zu. Die chinesischen Behörden fahndeten nach 19 Demonstranten, die für Unruhen in Lhasa veranwortlich sein sollen. 26 Nobelpreisträger forderten Peking zu Gesprächen mit dem Dalai Lama auf.

Pelosi trug einen goldenen Schal, den ihr der Dalai Lama überreicht hatte. "Wir sind bei Ihnen, um diese Herausforderung anzunehmen", sagte Pelosi unter tosendem Applaus. Die Welt müsse erfahren, was in Tibet wirklich geschehe. Es handelt sich um Pelosis zweites Treffen mit dem Dalai Lama innerhalb eines halben Jahres. Sie war ihm bereits im Oktober begegnet, als das geistliche Oberhaupt der Tibeter in Washington mit der Goldmedaille des US-Kongresses ausgezeichnet worden war. Die Regierung in Peking hatte sich über die Ehrung sehr verärgert gezeigt.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) appellierte an die Führung in Peking, den Tibetern die Bewahrung ihrer Kultur zu gestatten und ausländischen Beobachtern zu ermöglichen, dass sie sich "ein eigenes Bild der Lage machen". "Wir wollen genau wissen, was in Tibet passiert ist", sagte Steinmeier der "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe).

Von einem Boykott der Olympischen Sommerspiele in China riet Pelosi ab. Dagegen sagte der Grünen-Politiker Volker Beck, bei ihm wüchsen die "Zweifel, ob man vor dem Hintergrund dieser Entwicklungenn an den Olympischen Spielen in Peking festhalten kann". Der deutsche Zehnkämpfer Andre Niklaus sprach sich gegen einen Boykott, aber für Protestaktionen der Sportler aus. "Wenn die Verbände beschließen würden, dass wir Sportler mit einer Tibetfahne ins Stadion einziehen, könnte ich mich damit identifizieren", sagte der 26-Jährige dem Magazin "Focus".

Auf Websites veröffentlichten die chinesischen Behörden Fotos von 19 Demonstranten, die während der Proteste in Lhasa eine Woche zuvor aufgenommen worden waren. Die staatliche Zeitung "Tibet Daily" berichtete, zwei der ursprünglich 21 Gesuchten seien bereits festgenommen worden. Die Behörden hatten die Haftbefehle ausgestellt, nachdem ihr Ultimatum an Randalierer, sie sollten sich stellen, in der Nacht zu Dienstag abgelaufen war. Am Donnerstag gaben die chinesischen Behörden die Festnahme von 24 Verdächtigen bekannt. Weitere 170 Menschen hatten sich demnach wegen ihrer Teilnahme an den anti-chinesischen Protesten gestellt.

US-Außenministerin Condoleezza Rice rief die Konfliktparteien zum Gewaltverzicht auf. Sie hoffe, dass China beim Vorgehen gegen die Demonstranten "Zurückhaltung" übe, sagte Rice in Washington. Es sei jedoch wichtig, dass alle Seiten sich der Gewalt enthielten. Während eines Telefonats mit ihrem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi habe sie Peking zur Aufnahme eines Dialogs mit dem Dalai Lama gedrängt, fügte Rice hinzu.

Zu Gesprächen mit dem Dalai Lama riefen China am Donnerstag auch 26 Nobelpreisträger auf. "Wir (...) bedauern und verurteilen die gewaltsame Unterdrückung tibetischer Demonstranten durch die chinesische Regierung", heißt es in einer in den USA veröffentlichten Erklärung. Die Unterzeichner, darunter der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel und der Literaturnobelpreisträger John Coetzee, protestierten gegen die "unbegründete Kampagne" der chinesischen Regierung gegen den Dalai Lama.

Die chinesische Regierung verstärkte ihre Militärpräsenz in Tibet und den angrenzenden Regionen massiv. Der deutsche Journalist Georg Blume berichtete am Donnerstag in der BBC von langen Militärkonvois mit Tausenden Sicherheitskräften auf dem Weg nach Lhasa. Blume und seine deutschsprachige Kollegin Kristin Kupfer wurden von den chinesischen Behörden aus Tibet ausgewiesen.