Experten erwarten nur kleine Reformen und Rohstoffverkäufe nicht nur an Russland, sondern auch an den Westen.

Aschgabat/Hamburg. Der Präsident ist tot, es lebe der Präsident. Und der Geist des verblichenen Staatsoberhauptes schwebt über allem in Turkmenistan. Der neue Präsident Gurbanguly Berdymuchammedow (49) erhielt bei seiner Vereidigung jetzt nicht nur einen Koran, sondern auch eine Prachtausgabe des Buches "Ruchnama". Darin hatte Vorgänger Saparmurad Nijasow all seine verschrobenen Lebensweisheiten aufgeschrieben und sie dem Wüstenstaat in Zentralasien jahrelang als Schullehrstoff, Ideologie und Religionsersatz aufgezwungen. Kein Wunder: Nijasow nannte sich gern "Turkmenbaschi" (Vater aller Turkmenen).

Der finster blickende Berdymuchammedow leistete bei seinem Amtsantritt in Aschgabat zwei Versprechen, die einander ausschließen. Er werde das Werk des "großen Saparmurad Turkmenbaschi" fortsetzen, sagte er. Doch dessen bizarrer Personenkult und das brutale Ausmerzen jeden Widerspruchs haben die Ex-Sowjetrepublik zurückgeworfen und isoliert.

Zugleich erneuerte Berdymuchammedow seine Wahlkampfversprechen, die für Turkmenistan ein kleines Tauwetter bedeuten: Alle Kinder sollten wieder zehn Jahre zur Schule gehen, die Medizinversorgung werde verbessert. Das nimmt die brutalsten Maßnahmen des Turkmenbaschi zurück. Trotz Milliardeneinkünften aus dem Gasexport hatte der Diktator an Renten, Bildung und Medizin gespart und das Geld in seine Prunkbauten gesteckt.

Unter Turkmenbaschi gab es Bücher nur noch in Universitäten, Kino und Theater waren ebenso wie private Internet-Nutzung verboten. Das soll sich jetzt wieder ändern.

"Es wird wahrscheinlich ein paar kleine Reformschritte geben, um das Ansehen des Landes international aufzuwerten", sagte Andrea Schmitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik dem Abendblatt. Neben Bildungs- und Gesundheitswesen könnten das bessere Arbeitsbedingungen für kleine und mittlere Unternehmen sein. "Aber was die neue Regierung tatsächlich macht, bleibt abzuwarten."

Was Turkmenistan trotz Abgeschiedenheit und demokratischer Defizite so ins Rampenlicht rückt, sind seine Ölvorkommen und Gasreserven, die fünftgrößten der Welt. Bisher wird das Gas nur nach Russland exportiert, Berdymuchammedow hat schon einen Ausbau dieser Beziehungen versprochen. Aber auch die USA, China und Indien haben ein großes Interesse an einem Zugang zu den Gasvorkommen. Die Türkei schließlich umwirbt Zentralasien und seine Turkvölker auch aus ethnischen Gründen.

Und natürlich buhlt Europa, das sich vom Energieriesen Russland unabhängiger machen will. Anfang November stattete Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den rohstoffreichen Ländern in der Region einen Besuch ab. Die EU erarbeitet eine Zentralasien-Strategie, weil die Gegend auch strategisch wichtiger wird. "Ich hoffe, die Situation im Land wird sich verbessern", sagte Aaron Rhodes, Direktor der Menschenrechtsorganisation "Helsinki Group" in Wien, dem Abendblatt. Turkmenistan sei Mitglied der OSZE und habe daher Voraussetzungen zu erfüllen: "Wir fordern zum Beispiel, dass politische Gefangene freigelassen werden, das Rote Kreuz Gefängnisse besuchen darf, unabhängige Menschenrechtsgruppen zugelassen werden."

Wenn sich der Westen immer nur für die Gas- und Ölreserven des Landes interessiere, aber nicht für die Menschenrechtslage, sei das auf die Dauer "ineffektiv". "Die sozialen Bedingungen in Turkmenistan sind desolat, es gibt Drogenprobleme, die Menschen sind nicht gesund und unzureichend ausgebildet." Auf lange Sicht könne dies zu Unruhen führen. "Wenn Turkmenistan implodiert, ist das schlecht für die Menschen, den Energiemarkt und die Region."

Die neue Regierung sollte ihr Image aufpolieren, indem sie das Land öffnet und mit der internationalen Staatengemeinschaft zusammenarbeitet, so Rhodes. "Es gibt Länder, die es gut mit Turkmenistan meinen und sich sowohl für Menschen als auch für Energievorkommen interessieren."