Um 18.19 MEZ am Ostersonntag, 20.19 Uhr Ortszeit im Golf von Aden, schlug ein Team aus vier amerikanischen Kampfschwimmern binnen Sekunden zu. Es...

Washington. Um 18.19 MEZ am Ostersonntag, 20.19 Uhr Ortszeit im Golf von Aden, schlug ein Team aus vier amerikanischen Kampfschwimmern binnen Sekunden zu. Es war dunkel, und es herrschte Seegang. Mit drei Kopfschüssen vom Heck des Zerstörers "Bainbridge" töteten die Soldaten aus 25 Meter Entfernung die drei Piraten an Bord des Rettungsbootes der "Maersk Alabama". Zwei der Entführer hatten in dem Augenblick in der Luke des ansonsten rundum geschlossenen Plastikbootes gestanden und waren bis zu den Schultern ungeschützt. Der Kopf des dritten Piraten war in der kleinen Steuerbrücke des Bootes auszumachen. Ein vierter Kampfschwimmer rettete Kapitän Phillips. Die Aktion dauerte nicht einmal eine Minute.

Die Verhandlungen über ein Lösegeld waren zuvor "hitzig" geworden, so die Darstellung des Kommandos der Fünften US-Flotte in Bahrain. Der Kommandant der "Bainbridge", Frank Costello, sah sich einem offenbar nur 16 Jahre alten Emissär der Piraten gegenüber. Er hielt telefonisch Kontakt zu Hintermännern an Land und zu den drei Entführern.

Costello ließ keinen Zweifel daran, dass die USA eine Lösegeldzahlung ablehnten. Er sah sich unter Zeitdruck, weil das Wetter sich verschlechterte und das Boot abzutreiben begann. Die Piraten versuchten, ihrer Forderung Nachdruck zu geben. Sie zerrten Phillips an die Luke des Bootes. Es fielen Warnschüsse. Ein Admiral des Marinekommandos sagte, die Piraten hätten den Eindruck erweckt, es "sehr, sehr ernst zu meinen". Phillips konnte sich anscheinend losreißen und aus der Luke ins Wasser stürzen, ob gefesselt oder nicht, ist unklar. Die Piraten richteten ihre Waffen auf ihn. Costello gab den Befehl zum Einsatz. Der Emissär an Bord der "Bainbridge" wurde gefangen genommen.

Um 22.00 MEZ verständigte Präsident Barack Obama persönlich Andrea Phillips, die Ehefrau des Kapitäns, von der gelungenen Befreiung. Anschließend telefonierte er mit ihrem Mann an Bord der "Bainbridge". Dem gefangenen Emissär droht in den USA lebenslange Haft, falls das amerikanische Justizministerium sich zur Strafverfolgung entschließt. Sollte das geschehen, würde er in New York vor einem amerikanischen Bundesgericht angeklagt werden.

Kapitän Richard Phillips sagte nach seiner Befreiung: "Ich war nur eine Fußnote. Die wahren Helden waren die Seals, die mich nach Hause geholt haben." Die Kampfschwimmer waren in der Nacht unbemerkt von den Piraten eingetroffen. Das geschah sehr wahrscheinlich durch einen Fallschirmabsprung. GPS-gesteuerte nächtliche Punktziellandungen aus zehn Kilometer Höhe und beträchtlicher Entfernung zählen zur Ausbildung der Einheit.

Der Begriff "Seal" bedeutet "Robbe", steht aber als militärische Abkürzung für "Sea, Air, Land", See, Luft, Boden. Die Seals gehören zu den am härtesten trainierten Soldaten der Welt. Sie erhalten ihre Ausbildung in San Diego/Kalifornien. Höhepunkt und Abschluss des Trainings ist die "Höllenwoche". Sieben Tage und Nächte sind die Seals Minute für Minute in Aktion, unterbrochen nur durch Essenspausen.

Für die "Robben" und für die US-Streitkräfte überhaupt ist die erfolgreiche Befreiung des Kapitäns in gewissem Maß eine historische Genugtuung. 1993 waren Special Forces in Mogadischu von islamistischen Warlords in einen Hinterhalt gelockt worden, als sie die Uno-Hungerhilfe für Somalia absicherten. Die Bilder gefallener US-Soldaten, die ein Mob durch die Straßen schleifte, gingen um die Welt und waren für die USA eine Demütigung. Unter dem Titel "Blackhawk Down" wurde das Geschehen von Hollywood verfilmt. Einer der vier Seals, die damals an der Operation beteiligt waren und entkamen, Admiral Eric Olson, ist heute der Kommandeur aller amerikanischen Special Forces.